Produktdetails
- Anzahl: 2 Audio CDs
- Erscheinungstermin: 19. September 1989
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Philips,
- EAN: 0028942242623
- Artikelnr.: 40516337
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD 1 | |||
1 | Preludio | ||
2 | Silenzio (ERSTER AKT) | ||
3 | Qui ti rimani - Brezza del suol natio (ERSTER AKT) | ||
4 | Dal più remoto esilio (ERSTER AKT) | ||
5 | Odio solo, ed odio atroce (ERSTER AKT) | ||
6 | No... mi lasciate (ERSTER AKT) | ||
7 | Tu al cui sguardo omnipossente (ERSTER AKT) | ||
8 | Che mi rechi? (ERSTER AKT) | ||
9 | Tacque il reo! (ERSTER AKT) | ||
10 | Eccomi solo alfine... (ERSTER AKT) | ||
11 | O veccio cor, che batti (ERSTER AKT) | ||
12 | L'illustre dama Foscari (ERSTER AKT) | ||
13 | Tu pur lo sai (ERSTER AKT) | ||
14 | Di sua innocenza dubiti? (ERSTER AKT) | ||
CD 2 | |||
1 | Preludio (ZWEITER AKT) | ||
2 | Notte! perpetua notte (ZWEITER AKT) | ||
3 | Non maledirmi, o prode (ZWEITER AKT) | ||
4 | Ah, sposo mio! (ZWEITER AKT) | ||
5 | No, non morrai (ZWEITER AKT) | ||
6 | Tutta # calma la laguna - Speranza dolce ancora (ZWEITER AKT) | ||
7 | Ah, padre! (ZWEITER AKT) | ||
8 | Nel tuo paterno amplesso (ZWEITER AKT) | ||
9 | Addio... (ZWEITER AKT) | ||
10 | Ah sì, il tempo (ZWEITER AKT) | ||
11 | Che più si tarda? (ZWEITER AKT) | ||
12 | O patrizi... (ZWEITER AKT) | ||
13 | Queste innocenti lagrime (ZWEITER AKT) | ||
14 | Alla gioia! (DRITTER AKT) | ||
15 | Tace il vento (DRITTER AKT) | ||
16 | Donna infelice (DRITTER AKT) | ||
17 | All'infelice veglio (DRITTER AKT) | ||
18 | Egli ora parte (DRITTER AKT) | ||
19 | Più non vive! (DRITTER AKT) | ||
20 | Signor, chiedon parlarti (DRITTER AKT) | ||
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21 | Questa # dunque l'iniqua mercede (DRITTER AKT) | ||
22 | Che venga a me, se lice - Quel bronzo infernale (DRITTER AKT) |
In Salzburg erschafft Plácido Domingo in Giuseppe Verdis "I due Foscari" aus Gesang einen ganzen Menschen.
SALZBURG, 13. August
Wenn eine Oper bei einem Festival nur konzertant aufgeführt wird, mag dies vom Misstrauen in ihre theatralischen und vom Vertrauen in ihre musikalischen Qualitäten zeugen und zudem davon, dass Sänger-Oper vom Publikum nicht als Todsünde angesehen wird. Wenn dies in Salzburg mit der Aufführung von Giuseppe Verdis erstem Dogen-Drama ,,I due Foscari" geschieht, des Komponisten sechster Oper, so müssen berühmte Sänger aufgeboten sein. Der Weltruhmesglanz kam nach etwa einunddreißig Minuten in Gestalt von Plácido Domingo in der Bariton-Partie des Dogen Francesco Foscari auf die Bühne. Und wenn es eine Frage gab, welche die Melomanen quälte, so die, ob er denn wenigstens einen Teil der Qualitäten gerettet habe, denen er seinen Ruhm verdankt wie in der Tenor-Partie des "Don Carlo", womit er vor 42 Jahren in Salzburg debütiert hatte. Dies umso mehr, als er seine ewig treuen Bewunderer vor drei Jahren als Graf Luna in "Il Trovatore" bitter enttäuscht hatte.
Seine darstellerischen Qualitäten hatte er danach in der größten Charakter-Partie Verdis - der des Simon Boccanegra - offenbaren können. Und nun nach dem Genueser Dogen der venezianische: Francesco Foscari. Für die Oper griff Verdis Librettist Francesco Maria Piave auf ein fünfaktiges Drama von Lord Byron über das Foscari-Geschlecht in Venedig zurück. Nicht die Stadt, deren Anblick ein Traum ist, bildet die Kulisse, sondern die Stadt einer repressiven Oligarchie, der verborgenen Grausamkeiten und gnadenlos rachsüchtiger Kämpfe. Sie führten dazu, dass Francesco Foscari, der 1423 den Dogenthron bestiegen hatte, 34 Jahre später erleben musste, dass sein Sohn Jacopo durch eine infame Intrige in die Verbannung und schließlich in den Tod getrieben wurde, während er selbst auf den Beschluss des Zehnerrats auf seinen Titel verzichten musste.
Es war Michele Mariotti, dem Leiter des Teatro Comunale di Bologna, zu verdanken, dass nun in Salzburg die von Verdi selbst benannten Qualitäten der Oper zur Geltung kamen: Feinheit und Pathos, vor allem aber der heiße Atem Verdischer Kantabilität. Dem jungen Dirigenten gelang es, dem Mozarteumorchester eine große Dosis italianità zu injizieren und alle Farben der orchestralen Palette auszubreiten, nicht zuletzt die der Holzbläser: magisch etwa der Einsatz der Klarinette im Preludio, die quasileitmotivisch das Thema des leidenden Jacopo Foscari anklingen lässt und auch, in Verbindung mit dem Fagott, die düster-fahle Atmosphäre der ersten Szene in einer Halle des Dogenpalastes malt; nicht minder eindringlich die ersten Takte des Vorspiels zum zweiten Akt, wenn Viola und Violoncello den Weg in den Kerker suchen, in dem der unschuldig verfolgte Jacopo die ewige Nacht beschwört. Mariotti, der nach bewährter Kapellmeisterart den Text mit den Lippen souffliert, gibt jeder Kantilene mit feinem Gespür für Temporückungen höchste Spannung, und er fordert immer wieder die Nuancen der Dynamik, gerade die messa di voce, jenes An- und Abschwellen der Stimme auf einem Ton, das nach alter Lehre die wichtigste Voraussetzung für den Ausdruck von Affekten ist.
Die Oper hat, wie der Titel andeutet, zwei Protagonisten: die ,,due" Foscari. Der jüngere ist - wie Florestan in Beethovens "Fidelio", der ebenfalls die Ängste der Kerkernacht beschwört - ein durch Leiden gebrochener Held, der in einem sublimen Arioso, klanglich suggestiv koloriert durch die Flöte, die Erinnerung an seine heißgeliebte Vaterstadt beschwört. Für die Partie bringt der maltesische Tenor Joseph Calleja einen ebenso klangschönen wie kräftigen Tenor mit, ganz ohne die für Domingo charakteristische Tinta. Zu überzeugen wusste er durch sorgfältige dynamische Nuancierung, durch die plastische Artikulation des Textes und die geschmeidige Phrasierung, besonders im kantablen Ausklingen. Aus der Nähe in der zweiten Sitzreihe, einer Entfernung von sechs oder acht Metern, waren aber bisweilen Mühen bei der Bildung von Tönen in der Vollhöhe hörbar. Die unbestreitbare tenorale Brillanz leidet indes unter der gesangsdarstellerischen Passivität eines Sängers, der seine Rolle nur als gesangstechnische Aufgabe begreift.
Die Partie der Lucrezia Contarini, der Frau des Jacopo, hat Verdi für die Sopranistin Marianna Barbieri-Nini geschrieben, die zweieinhalb Jahre später in der Uraufführung des "Macbeth" die Partie der Lady sang. Deren in Spiralen aus Feuer sich hochwindende Koloraturen sind in der Partie der Lucrezia ebenso vorgeformt wie die gewaltigen Intervalle: etwa der Zwei-Oktaven-Fall in ihrer ersten Szene. Die chinesische Sopranistin Guanqun Yu, vor Jahren Preisträgerin von Domingos Belvedere-Wettbewerb, eilte mit der Miene "Ich bin eine kampfesmutige Frau" auf die Bühne und sang ihre in die höchste Lage führende Partie gleichsam auf einer zum Zerreißen gespannten Stahlsaite: imponierend zwar wegen der gleißenden Brillanz, aber ermüdend für das nach sanfteren Tönen sich sehnende Ohr. In der Rolle des rachsüchtigen Intriganten Loredano, dem Verdi seltsamerweise nur die Rolle eines Basso comprimario zugebilligt hatte, konnte der junge Roberto Tagliavini mehr Qualitäten eines kernigen Basso cantante aufbieten als in der des Königs wenige Tage zuvor in "Aida".
Erst jetzt - pardon! - zur raison d'être der Aufführung: zu Plácido Domingo. Dass er den 84-jährigen Dogen noch immer mit der Stimme eines 48-Jährigen zu singen vermöchte, wäre die Hoffnung tauber Ahnungslosigkeit. Doch geht es längst nicht mehr darum, dass die Zeit seine Stimme in der hohen Lage mindestens um eine Terz nach unten transponiert hat; nicht darum, dass er zwar in der tieferen Lage eines Baritons singt, aber ohne die vibrierend maskuline Energie, die für Verdis Bariton-Partien unabdingbar ist. Und doch: Das kritische Ohr mag wahrnehmen, dass die Textur der Stimme rauher geworden ist; dass bei lang gehaltenen Tönen ein "beat" eindringt; dass die Ende von Phrasen nicht länger vom stützenden Atem getragen werden. Dem liebenden Ohr hingegen wird nicht entgehen, dass Domingo allein in der sängerischen Aktion eine Figur sichtbar macht und immer noch einer der wichtigsten sängerischen Aufgaben gerecht wird, wenn er die noble Kantilene des dritten Aktes "Questa dunqe" aufblühen lässt. So verlässt man einen traurig-schönen Abend mit dem melancholischen Gefühl, dass die Erinnerung in der Zeit keine Rolle spielt.
JÜRGEN KESTING
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