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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Verzicht auf die große Geste

FRANKFURT Brian Fallon, Sänger der seit einigen Jahren pausierenden Band The Gaslight Anthem, hat mit "Local Honey" sein drittes Soloalbum veröffentlicht, das mit seinem introspektiven Ton gut zur momentanen Lage passt. Fallons Frankfurter Konzert ist auf nächstes Jahr verlegt worden.

Von Christian Riethmüller

Der Stolz ist Brian Fallon anzusehen, als er die limitierte Vinyl-Edition seines neuen, am Freitag veröffentlichten Soloalbums "Local Honey" in die Kamera hält. Die Schallplatte sollte eigentlich am 18. April beim sogenannten Record Store Day weltweit in ausgewählten Läden präsentiert werden, doch ist die Veranstaltung wegen der Corona-Krise auf den 20. Juni verlegt worden. Ebenfalls verlegt worden ist Fallons aktuelle Tournee, die ihn nach Auftritten in Amerika auch nach Europa geführt hätte, wo er unter anderem am 29. April in der Batschkapp in Frankfurt konzertieren wollte. Als neuer Termin ist hier nun der 19. Februar 2021 angekündigt. Daher zeigt sich der amerikanische Sänger, der als Frontmann der seit einigen Jahren pausierenden Band The Gaslight Anthem berühmt geworden ist, eben mit kleinen Filmen und akustischen Live-Versionen einiger neuer Songs auf seinen Social-Media-Kanälen, anstatt mit seiner Begleitband The Howling Weather die Bühnen zu stürmen.

Diese Bühnenstürme wären allerdings ohnehin etwas zurückgenommener ausgefallen, als mancher dies mit Blick auf Fallons musikalische Vergangenheit vielleicht vermutet hätte. Von The-Gaslight-Anthem-Tagen und der gerade in den Anfangsjahren der Band überwältigenden Mischung aus Bruce Springsteen und The Clash hat sich Fallon auf "Local Honey" denkbar weit entfernt. Eher lassen die acht Songs an Neo-Country oder Americana, aber kaum mehr an Rock 'n' Roll denken. Es sind Lieder eines vierzig Jahre alten Vaters zweier kleiner Kinder, der ein beschauliches Leben in seinem Heimatstaat New Jersey führt, das sich eher an den Stundenplänen des schulpflichtigen Nachwuchses als an den Terminen des rastlosen Rockstars orientiert, der zwischen Studiozeit und Tourneen auf den Musenkuss wartet. "Ich stehe in der Frühe mit den Kindern auf, bereite sie für die Schule vor, und dann habe ich vielleicht von 9 bis 12 Uhr Zeit, um an Songs, an Melodien oder Strophen zu arbeiten. Es ist ein reglementiertes Leben, was bisweilen etwas hart ist, weil man Kreativität ja nicht nach einem Stundenplan bestellen kann", berichtet Fallon am Telefon.

Trotz dieses Reglements hat Fallon dann doch vergangenes Jahr genügend Songs für ein Album beieinander gehabt, das er dann auch zügig aufnehmen wollte, um sowohl eine Tournee planen als auch mit seinen Begleitmusikern proben zu können. Seinem Produzenten Peter Katis, der schon mit Bands wie The National, Interpol, The War On Drugs oder Death Cab for Cutie gearbeitet hat, schickte Fallon die im Heimstudio aufgenommenen Demos, über die sie sich dann in einer wöchentlichen Telefonkonferenz austauschten. Hierbei entstand die Übereinkunft, das Album in einer reduzierten, leisen, aber nicht puristischen Form aufzunehmen, die gut zu den introspektiven Texten passt. "Wir haben es auch mit üppigeren Arrangements versucht, doch das fühlte sich nicht richtig an", sagt Fallon über den Verzicht auf die große Geste, die sowohl bei The Gaslight Anthem als auch bei Fallons vorherigen zwei Soloalben "Painkillers" (2016) und "Sleepwalkers" (2018) durchaus Bedeutung hatte.

Inspiration waren ihm diesmal nicht die Beobachtungen unterwegs, die er zu Texten verarbeitet, in denen sich jeder angesprochen fühlen kann, sondern das Private, das er aber wiederum so geschickt zu verpacken versteht, dass jeder Hörer etwas anderes in den Zeilen lesen kann. "21 Days" ist solch ein Lied. Fallon hat es unter dem Eindruck geschrieben, endgültig mit dem Rauchen aufzuhören. "Es ist aber gewiss kein Song übers Abschiednehmen von der Zigarette", lacht Fallon über die Ex-Rauchern naheliegende Vermutung: "21 Days handelt von Abhängigkeiten, aber auch von Beziehungen, unter denen man leidet und die man beenden möchte. Und dann empfehlen die Therapeuten, man solle sich Ziele setzen, um etwas zu überwinden. Kleine Schritte. Zum Beispiel: 21 Tage überstehen. Und wenn das nicht reicht, nochmal 21 Tage."

Das wäre auch eine Anleitung, um die aktuelle Corona-Krise zu meistern, wenngleich Fallon von der beim Schreiben noch nichts ahnen konnte. Trotzdem passen die Songs gut zur momentanen Lage, weil sie einen Menschen zeigen, der auf sich selbst blickt, mal ernst, mal voller Optimismus. Fallon saugt den Honig aus seiner unmittelbaren Umgebung. Eine Ausnahme gibt es allerdings in diesem Liederreigen und das ist die mörderische Ballade "Vincent", eine durch und durch fiktionale Geschichte, "die ich mehr als zwanzig Mal geschrieben habe, bis die Strophen saßen", wie Fallon sagt. Auf das Resultat kann er ebenfalls stolz sein.

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