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Trackliste
CD
1Bild Dir Deine Meinung00:03:27
2Sprengkörper00:03:37
3Mein Herz00:02:30
4Ein Kleiner Widerstand00:04:21
5Loft Oder Liebe00:03:38
6Gekleckert00:03:00
7Mach Das Leiser00:03:09
8Komm Lass Doch Die Sonne Rein00:02:37
9Jedem Sein Disco00:07:28
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.06.2006

Die Kritik darf weiter tanzen

"The Revolution will not be televised", hieß es bei Gil Scott-Heron. Wenn sie aber nicht im Fernsehen übertragen wird, läßt sie sich vielleicht in die Clubs bringen oder auf CD brennen. Als die "Mediengruppe Telekommander" vor zwei Jahren ihr Debütalbum "Die ganze Kraft einer Kultur" veröffentlichte, konnten die beiden Bandgründer Gerard Mandl und Florian Zwietnig ihren Erfolg nicht unbedingt ahnen. Kritik und Publikum waren begeistert von der intelligenten und tanzbaren Gesellschaftsanalyse, doch ist solche Zuneigung bekanntermaßen oft von kurzer Dauer. Beim zweiten Album - nach einem pseudopolitischen Slogan der CSU "Näher am Menschen" benannt (Mute/EMI 3572502) - gilt es daher, etwas zu beweisen und der vorhersehbaren Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gleich das erste Stück "Bild Dir Deine Meinung" nimmt mit einer Montage von bekannten Phrasen ungnädig gewordener Fans das klischeehafte Authentizitätsdogma ironisch auf und stellt die Marktmechanismen der Unterhaltungsindustrie bloß: "Früher waren die beiden noch die Underground-Killer / Heute hört sich das schon fast so an wie Sportfreunde Stiller / Man sagt, die haben ihr Indie-Label abgezockt / Sicherlich hat der Major mit viel Geld gelockt / Ich kenn die noch von damals, als noch keiner die kannte / Doch seitdem das jeder hört, sage ich: Nein danke!" So kann es Aushängeschildern des Nonkonformismus heutzutage tatsächlich ergehen. Grund zur Sorge besteht bei der "Mediengruppe" allerdings nicht, denn sie versteht es, ihren Stil zu variieren, ohne die ihnen zugeschriebenen Ideale zu verraten. Weniger rockig als auf dem Vorgängeralbum, stärker von elektronischen Klängen geprägt, polemisiert die "Mediengruppe" mit ihrem überdrehten Sprechgesang gegen Neureiche und eine stilisierte Form des richtigen Lebens im falschen: "Loft oder Liebe" etwa vereint die Gegensätze im unmoralischen Flirt. Während die großen Volksparteien an neuen Grundsatzprogrammen basteln, formiert sich in der deutschsprachigen Musikszene nicht nur mit diesem "Agitpop" eine neue künstlerische Opposition. Doch anders als etwa Peter Licht, der auf seinem aktuellen, leichtfüßigen Album euphorisch und ironisch das "Ende des Kapitalismus" besingt - "jetzt isser endlich vorbei / Is auch lang genug gewesen" -, um später trotzig zu insistieren, "wenn's nicht anders geht / dann wern wir eben siegen", vertraut die "Mediengruppe Telekommander" weiterhin auf aggressive Beats, Parolen und Kulturkritik. Selbst wenn sie zwischenzeitlich zur Selbstbespiegelung neigt, ein Rückzug ins Private, wie ihn zuletzt "Blumfeld" mit ihrer neuen Platte "Verbotene Früchte" vollzogen, ist ihr nicht zu unterstellen. Umgekehrt benennen Mandl und Zwietnig ihr Anliegen auch nicht so offensiv und konkret wie etwa die "Goldenen Zitronen", die als hysterischer musikalischer Einfluß überall durchschimmern. Wo diese auf ihrem ebenfalls in diesen Tagen erscheinenden Album "Lenin" noch vertrackter als gewohnt Musik machen, die man endlich einmal wieder nicht mitsingen kann, lädt die "Mediengruppe Telekommander" mit "Jedem sein Disco" zu einer zugleich ausgelassenen und nachdenklichen Party. In Anlehnung an das Motto der Funk-Ikone George Clinton heißt es bei ihnen weiterhin: "Move your ass and your mind will follow."

ALEXANDER MÜLLER

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