Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 5. Juni 2009
- Hersteller: Universal Vertrieb - A Divisio / Concord,
- EAN: 0011661831926
- Artikelnr.: 26151087
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Tomorrow Goes Away | 00:01:30 | |
2 | Trashcan | 00:03:36 | |
3 | People C'mon | 00:03:25 | |
4 | House Built For Two | 00:05:48 | |
5 | Strange Vine | 00:04:08 | |
6 | Streetwalker | 00:04:10 | |
7 | People, Turn Around | 00:05:01 | |
8 | Parade | 00:03:05 | |
9 | Bleeding Bells | 00:02:45 | |
10 | Children | 00:05:33 | |
11 | Ode To Sunshine | 00:03:47 |
Diese Band hat die Welt noch nicht gehört: Das leicht-schwere Erbe von Delta Spirit
Nun hört mal gut zu, Ihr Beatles- und Beach-Boys-, Dylan- und Cash-, Kinks- und Stones-, Byrds- und Doors-, Neil-Young- und Jackson-Browne-, Van-Morrison- und Gerry-Rafferty-, Loudon-Wainwright- und Captain-Beefheart-, Velvet-Underground- und Creedence-Clearwater-Revival-Fans, kurz, Ihr Freunde des Wahren und Edlen, Guten und Schönen: Es gibt eine Band, die all dies in sich vereint und also einerseits eine quecksilbrig-schlaue, andererseits hymnisch-leidende Musik spielt, meistens im schnellen Wechsel, manchmal sogar auf einmal. Diese Band heißt Delta Spirit, und etwas Besseres als sie werdet Ihr so schnell nicht mehr hören - wenn überhaupt jemals wieder.
So könnte man nicht nur sagen; man muss es so sagen. Die Frage, wie fünf strubbelige Karoflanellhemdenträger aus San Diego dazu kommen, sich in das Gemeinplatzversatzstück der Rock- und Popkritik einzupassen, indem auch sie zunächst nicht viel mehr tun, als den Plattenschrank ihrer zu den Glanzzeiten der Obigen allerdings gerade erst geborenen Eltern zu plündern, ist schnell beantwortet: Der Plattenschrank war halt gut bestückt.
"Als ich fünf war, zeigte mir meine Mutter eine LP von Janis Joplin und sagte: ,Wenn du schon singst, dann sing so!'" Matthew Vasquez muss eine Mutter mit aparten Geschmacksknospen haben, denn als er fünf war, so Mitte, Ende der achtziger Jahre, waren selbst im amerikanischen Südwesten Janis-Joplin-Platten so ziemlich das Letzte, was einer auflegte. Diese Schule hat ihm nicht geschadet, auch wenn man für seinen Stil treffendere Referenzen findet als eine texanische Southern-Comfort-Säuferin. Sein Gesang entbehrt des aufdringlich Bluesig-Verruchten, er macht eher mit einem kratzig-puerilen Ausdruck Eindruck. Matthew Vasquez verfügt über ein Organ, das der Delta-Spirit-Musik eine Note verleiht, die man blumig nennen muss - Musik von Rotweintrinkern, aber nicht unbedingt für solche.
Dieses ist nicht das erste Meisterwerk, das in einem Fehlstart auf die Welt losgelassen wurde. Die Band hatte nach ihrer Kurzplatte "I Think I've Found It" von 2007 noch im selben Jahr in den bewaldeten Hügeln Südkaliforniens ein richtiges Album eingespielt und auch selbst produziert. Das nahmen sie mit auf Tournee. Und dass dabei, ganz ohne Vertrieb, siebentausend Exemplare weggingen, mochte noch nicht für eine goldene Schallplatte reichen, deutet aber an, wie gut diese Konzerte gewesen sein müssen. Der Durchbruch blieb vermutlich nur deswegen aus, weil es von roots music, die auch Delta Spirit am Ende nur machen, schon genug gibt - man sehe sich bloß mal um bei Lost Highway Records. Aber keine Band spielt diese Musik so wie diese: rumpelnd-holzdielenwarm, elegisch und mit einer Prise Garagen- beziehungsweise Independenthaftigkeit, ohne die es heute nun einmal nicht mehr geht, die hier aber nicht berechnend oder anbiedernd wirkt. Deswegen setzte die Wirkung auch erst mit Verzögerung ein. Angelockt von dem Ruhm, der sich wie goldener, sämiger Honig ausbreitete, trat das Label Rounder Records auf den Plan, die ideale Heimstatt für eine Band wie diese, mit reichlich Stallgeruch und Tradition. Im vergangenen Herbst und erweitert um ein Lied von dem Kurzalbum, kam die Platte in Amerika zum zweiten Mal heraus, jetzt endlich auch in Europa. In der Zwischenzeit ist es der Band, auch mit zwei Deutschland-Konzerten Anfang April, gelungen, ihren Geheimtippstatus zu festigen, wobei bedauerlich war, dass mangels eines größeren Repertoires keine Zugaben gegeben wurden. Das muss anders werden. Wie man hört, arbeiten die Musiker schon am nächsten Album.
Bis dahin wird man mit etwas vorliebnehmen, das klanglich und stilistisch vergleichbare Höchstleistungen vom Anfang dieses Jahrzehnts noch übertrifft: "Beauty In Madness" von Hobotalk und "The Optimist LP" von den Turin Brakes - britische Bands, die man nicht gerade als Eintagsfliegen bezeichnen kann, die aber nach ihren glanzvollen, gleichfalls wie aus der Zeit gefallenen Debüts Schwierigkeiten hatten, auch nur etwas annähernd so Gutes zustande zu bringen.
Haben wir es nun abermals mit einem Fixstern zu tun, der zwar noch kräftig leuchtet, aber in Wirklichkeit schon so gut wie erloschen ist, weil die Anschlussplatte unmöglich noch einmal so prima werden kann? Abwarten. Wer, wie Delta Spirit, die Unverfrorenheit besitzt, uns gleich am Anfang mit einem täuschend echten "Rubber Soul"-Imitat irgendwo zwischen "Nowhere Man" und "If I Needed Someone" zu kommen, dieses aber nach anderthalb Minuten kokett wieder abzubrechen, weil es ja noch Wichtigeres auf der Popwelt zu tun gibt, um dann mit einem ebenfalls lupenreinen, von einem Hammerklavier unterlegten Kinks-Gruß fortzufahren, der spielt gewissermaßen auf Anhieb ganz großes Tennis.
So spannen denn "Tomorrow Goes Away" und "Trashcan (Song)" einen Bogen von nonchalanter Pop- und Folk-Innerlichkeit bis hin zu quasi-frenetischem Überschwang. Als Drittes kommt "People C'mon", das die verschattete Leichtigkeit der Doors-Perle "People Are Strange" hat, diese aber im dringlich-flehentlichen Refrain immer wieder aufhebt - wie auf Knopfdruck macht die auf dieser Platte sonst nicht übliche und auch gar nicht beabsichtigte und deswegen hier fast verblüffende Präzision der Rhythmusgitarrenakkorde der Verbindlichkeit des nun plötzlich sehr rotzigen Gesangs Platz.
Nachdem "House Built or Two" das erste Mal das wie von fern traurig hereinhallende Saloon-Klavier als heimliches Leitmotiv endlich eingeführt hat - man riecht den Whisky und schmeckt den kalten Tabakrauch oder umgekehrt -, kommen hintereinander die drei absoluten Höhepunkte dieser ganz und gar geglückten Platte, deren Mischung aus Melancholie und Übermut, Trauer und Euphorie in der Werkmitte ihren dichtesten, verführerischsten Ausdruck findet. "Strange Vine" schunkelt sich windschief auf trunkene Gipfel, die Matthew Vasquez zu mutigen Kieksern animieren; "Streetwalker" beginnt etwas sperrig und findet dann schnell in jene "hymnische Erlöserhoffnung" (Rowohlts Rock-Lexikon), die schon Van Morrison auf "St. Dominic's Preview" umtrieb; und der hier bereits sehr spürbare Gospeleinschlag beherrscht dann "People Turn Around" fast völlig, das gleichzeitig eine absolute und absolut makellos intonierte und gespielte Folkrockkostbarkeit ist, wie man sie seit 1973 nur noch sehr gelegentlich auf den Plattenteller bekommt.
Einmal nur geht die Band in die Vollen: "Parade" hat die Härte und Konsequenz eines idealtypischen, souverän verschleppten Rocksongs, wie man ihn tausend Mal gehört hat und doch immer wieder aufregend findet. Wie in einer Reprise läuft dann der Rest aus: "Bleeding Bells" klingen, mit der Trompete, so, wie sie heißen; "Children" tuckern und wummern mit nervösem Beat auf den Schluss- und Titelsong hin: Gleichsam ein lustig-zuversichtlicher Surfboogie ist diese "Ode To Sunshine". Nicht schlaues Kopieren und Strebertum, sondern Überzeugung, Wärme, ja, Inbrunst und Pathos beherrschen einen verblüffend homogenen, aber dank der multiinstrumentellen Fähigkeiten sich auch verblüffend vielseitig äußernden Musizierwillen, in den, wir erwähnten es, vieles zwanglos eingeflossen ist. Er hat eine ganz und gar bewegende Platte hervorgebracht. Jon Jameson (Bass), Matthew Vasquez (Gesang), Sean Walker (Gitarre), Kelly Winrich (Diverses) und Brandon Young (Schlagzeug): Diese Namen werdet Ihr Euch merken müssen, Ihr Fans von, na, Ihr wisst schon.
EDO REENTS
Delta Spirit, Ode To Sunshine. Rounder Records/Decca 6183192 (Universal)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main