Produktdetails
- Anzahl: 1 Audio CD
- Erscheinungstermin: 12. Juni 2009
- Hersteller: Membran Media GmbH / SMD Neo-Di,
- EAN: 0886975310623
- Artikelnr.: 26209712
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
CD | |||
1 | Too Much Of Something | 00:03:16 | |
2 | Morning Of My Life | 00:03:21 | |
3 | A New Child Is Born | 00:03:20 | |
4 | 00:04:18 | ||
5 | Goodbye | 00:03:41 | |
6 | Rainbowhills | 00:03:57 | |
7 | Don't Forget Your Light | 00:03:41 | |
8 | Alive Again | 00:03:38 | |
9 | Sugar Lady | 00:03:21 | |
10 | Just A Little | 00:03:43 | |
11 | Lonely | 00:04:00 | |
12 | Time To Sing | 00:03:31 | |
13 | Al Taschlicheni | 00:03:29 |
Das erste Mal, dass wir diese beiden hörten: Esther und Abi Ofarim, die in den Sechzigern Hippieseifenblasen bliesen, sind zurück - jeder für sich natürlich. Sie überzeugt mehr, aber er kann auch noch singen.
Im Jahr 1967, als die Sängerin noch der dominante Teil des Duos Esther und Abi Ofarim war, hatte sie mit "Cinderella Rockefella" ihren größten Erfolg. Nummer-eins-Hit in Deutschland und England, Spitzenplätze im übrigen Europa und den Vereinigten Staaten. Wer hätte geglaubt, dass sie, die 1998 ihr Comeback mit wunderschönen, aber sehr ernsten Programmen feierte, diese raffiniert zickige Parodie auf die Tingel-Rags und den Geldrausch der roaring twenties noch einmal singen würde?
Im Februar tat sie's auf der Bühne des Hamburger St. Pauli Theaters. Und wie: Was vor vierzig Jahren Übermut und grelle Stimmartistik war, ist nun amüsiert entspanntes Spiel. Und wo damals Abi Ofarim als verliebter dämlicher Millionärsspross näselte und quäkte, singen jetzt ihre vier Musiker mit spitzbübischer Freude den Part des Goldfischs an der Leine.
Zu hören ist die Wiederentdeckung einer verlorenen Zeit auf dem Mitschnitt des Hamburger Konzerts. Es ist das zweite Album, das Esther Ofarim nach langer Bühnen- und Studioabstinenz veröffentlicht hat. Die Lockerheit der Cinderella ist dabei kein Einzelfall. Auch der Titelsong, "I'll See You in My Dreams", ist von bezaubernder Leichtigkeit. Das Lied war ein Gassenhauer im New York der zwanziger Jahre. Esther Ofarim singt es, als wäre es gestern geschrieben, und doch, als wäre sie die legendäre Millie Dillmount von damals. Max Raabe und sein Palastorchester haben mit ihr und Yoni Rechter (Piano), Michail Paweletz (Geige), Micha Kaplan (Bass) und Bernard Fichtner (Gitarre), die mitsingen wie verkaterte Comedian Harmonists, ebenbürtige Konterparts erhalten.
Liebe ist Gott
Die Ernsthaftigkeit kommt trotzdem nicht zu kurz: Ofarims Eröffnungssong "My Fisherman, My Laddie-o" klingt bitterer als vor vierzig Jahren. Damals sang ein wehmütiges junges Mädchen, heute schwingt die Lebenserfahrung einer reifen Frau in dem Lied. Ebenso "My Lagan Love", wo Geige und Piano klagende Inseltöne um das verwehende "No life I own, no liberty. For Love is the Lord of all" legen. Wie eine ziellose Suche klingt Leonard Cohens "Halleluja", das rätselhafte Lied vom ergeben verstummenden Dichter, sehr spröde färbt die Sängerin "Ne' ulah hi dalti" und "Ma Omrot Eynayich" aus ihren frühen israelischen Jahren; nicht mehr die Zuversicht der Pioniere, sondern lebenssatter Fatalismus, wie ihn der Westen dem alten Orient zuschreibt. In Kurt Weills "Here I'll Stay" mischt sich ängstliche Skepsis in die Beteuerung, Zweisamkeit währe ewig, "Moon of Alabama" ist schattiert von der Verlorenheit lethargischen Alterns. Umgekehrt klingt Weill/Brechts "Surabaya-Johnny", die Desillusionsballade schlechthin, bei Esther Ofarim eher mädchenhaft. Es gehört zu ihrem stupenden Können, selbst einem solchen bis zum Überdruss bekannten Klassiker neue Töne abzugewinnen. "Nimm doch die Pfeife aus dem Maul, du Hund" hört sich an, als hoffte sie noch immer verzweifelt auf irgendwelche Empfindsamkeit im Inneren dieses Kotzbrockens.
Kann man "Yesterday" noch ertragen? Man kann, wenn Esther Ofarim es singt, scheu und schlicht, ganz frei von jenen Manierismen, die ihr als junge Frau im Vollbesitz der phänomenalen Stimme oft unterliefen. Zwar ist ihr Sopran noch immer und je nach Bedarf glasklar oder guttural, schneidend oder schmeichelnd. Nach wie vor beherrscht sie endlos sich erstreckende Töne und präzises Stakkato. Aber einige der kristallenen Spitzentöne sind mit Haarrissen überzogen, manchmal brechen Tonbögen weg. Ein Verlust ist das nicht. Denn was die minimalen Trübungen an vokaler Virtuosität nehmen, gibt die Intensität der Interpretation zurück.
Was Esther Ofarim damit vollbringt, wagen sonst nur die besten klassischen Sängerinnen. Deren auf Sekunden beschränkter, riskanter Wechsel von der Kunst- in die Naturstimme, wenn sie aufgehen in dem, was Komponisten und Dichter überliefert haben, ist bei ihr Grundzug des Vortrags. Sicher wie eine Kunststimme, führt ihr natürlicher Gesang durch die Lieder. So zeigt die einstige Folk- und Chansonsängerin der Oper, woher das Kunstlied kommt. Das gilt für Shakespeares "Willow Song" ebenso wie für Richard Rodgers' "I Have Dreamed" oder "Kinderspiele", Heinrich Heines von E. Ferstl vertontes Gedicht über die unbewusste Weisheit von Kindern, die das erwachsene Leben zuschanden macht.
Wer Esther Ofarim lieber auf dem vokalen Zenit hören möchte, dem bietet eine Wiederveröffentlichung unbegrenzte Möglichkeiten: 1972 erarbeitete die Sängerin mit Bob Johnston, dem damaligen Produzenten von Bob Dylan, Simon & Garfunkel und Leonard Cohen, ein Album. Wer die puristischen Arrangements dieser Künstler oder zumindest jenen geradlinigen Countryrock erwartet, für den Johnston stand, wird verwirrt sein von den üppigen, sahnigen Arrangements. Verantwortlich, von Johnston streng kontrolliert, waren Nick Harrison, Will Malone und Bob Merci. "Für meinen Geschmack manchmal zu bombastisch", erinnert sich Esther Ofarim und zieht den Vergleich mit ihrem kurz zuvor in Deutschland produzierten Album "Esther": "Wenn ich mir die beiden Platten anhöre, wundere ich mich selbst, wie unterschiedlich ein Mensch klingen kann." In München ein Kammerensemble der Philharmonie, in London ein orchestrales Großaufgebot. Im deutschen Studio reagierte die Sängerin mit Dezenz, im englischen mit Pathos. Es gipfelt in einem Tonsprung am Ende von "Boy From the Country", bei dem man sich fragt, ob jemand die schneidende Höchstfrequenz eines Telegraphen hörbar gemacht hat. Trotzdem besticht der Song: Jede andere hätte das Märchen vom Buben, den die Dorfgemeinschaft davonjagt, weil er mit Tieren spricht und Sonne und Mond anbetet, zum Schmachtfetzen gemacht. Die junge Esther Ofarim, immun gegen Sentimentalität, umschifft jede Kitschklippe mit tonalem Feinschliff. Damit gelingt ihr auch, Bob Johnstons "You're Always Lookin for the Rainbow" statt zum Tränendrücker zur herben Ballade vom Streben unbelehrbarer Illusionisten zu machen.
Ihre Hommage an Leonard Cohen ist rundum gelungen: "Suzanne", "Hey, that's no Way to Say Good Bye" und "Song of the French Partisan" sind schnörkellos gesungene Traumpoesie, die jeden Vergleich mit Cohens Pathos der Gebrochenheit meiden. "Gnostic Serenade" überrascht mit puren Gitarrenklängen, eine Wohltat nach den sämigen Streicher-, Harfen- und Bassteppichen. Und dass "Waking up", der Titelsong, nicht der Hit wurde, den Johnston von ihm erwartete, kann nur daran liegen, dass Esther Ofarim die Warnung vor schläfrigem Alltagstrott zu eindringlich sang. Nur "El condor pasa" und "The First Time Ever I Saw Your Face" sind eklatante Missgriffe: Simon & Garfunkels Anden-Surrogat verrutscht Esther Ofarim zu weinerlichem Jammer; Letzteres leidet unter grotesken stimmlichen Verrenkungen, die offenbar jede Erinnerung an Roberta Fleck tilgen sollen.
Ein merkwürdiger Zufall ist es, dass nun auch Abi Ofarim nach langer Zeit ein Soloalbum veröffentlicht hat. Sofort denkt man an das alte boshafte Gerücht, er habe keine Gesangsstimme. Doch man höre nur noch einmal "El Vito" an oder "Oh Babe, You're Gonna Wonder", wo er mit bestechender Präzision Gegentakte hält, komplizierte Oberstimmen singt und seine Partnerin vorantreibt.
Wieder ein Mann weg
Abi Ofarim ist auch ein passabler Gitarrist, obwohl während der Duo-Glanzzeiten die flirrenden Riffs und Läufe meistens von anderen eingespielt wurden. Sein Album "Much Too Much" war 1982 ein Achtungserfolg. Nun, nach siebenundzwanzig Jahren, elf neue eigene Lieder - und ein Evergreen aus den goldenen Duo-Zeiten: "Morning of My Life", das 1967 die Bee Gees für das Paar geschrieben hatten. Aber damit hat die neue Version nur noch den Text gemein. Abi Ofarim raunzt die schillernde Hippieseifenblase jetzt als beeindruckenden Countryblues. Ebenso geröhrt, wenn auch nicht als Remake gekennzeichnet, ist "Just a Little", 1966 unter dem Titel "Canario" ein flamencogetönter Hit beider Ofarims. Und bei "A New Child" ist kaum zu überhören, dass Abi Ofarim Elvis Presleys "In the Ghetto" ebenso im Ohr hatte wie das "Another Man Done Gone" seiner ehemaligen Frau.
Immerhin, instrumentiert als Softrockballade, lässt der lakonische Bericht vom jungen Mann, der aufwächst, um in irgendeinem Krieg zu sterben, derweil ein neuer Junge zum gleichen Schicksal geboren wird, aufhorchen. Viele andere Songs rauschen angenehm am Ohr vorbei; ein wenig Rock, etwas Lateinamerika, Southern Blues und Europop. Aber von einem Mann mit einem derart bewegten Leben erwartet man etwas mehr als auf rauh gebeiztes Münchner Schickeria-Geplauder à la "Don't Forget Your Light".
"Ich bin so frustriert, und ich frag' mich nur, warum. Vielleicht ging ich mit dir falsch um", übersetzt Abi Ofarim im Begleitheft sein "Lonely". Auch wir sind irgendwann frustriert angesichts so vieler Platituden. Eines aber steht fest: Singen und gute Musiker zusammenholen kann der Mann.
DIETER BARTETZKO
Esther Ofarim, I'll See You in My Dreams. Live 2009. Tropical Music 68869
Esther Ofarim in London. Produced by Bob Johnston. bureau b 927612
Abi Ofarim, Too Much Of Something. Kaos Entertainment/Nord Ton/SMD 28000
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main