Speed-Pop für alle: mitreißendes Debüt von Klaus Cornfields neuer Band. Erstmals hat Klaus Cornfield, bekannt durch Throw That Beat In The Garbage Can!, ein Album durchgehend in der eigenen Sprache geschrieben und gesungen. Mit seiner unverwechselbaren Stimme prägt er das Debüt seiner neuen Band Katze. Zusammen mit Minki Warhol und Daniel Schaub schuf Cornfield ein verwirrendes Universum aus Offenheit und Intimität. "von hinten" kommt so ungestüm, so direkt, so unverblümt, als hätte diese Katze soeben den Punk neu erfunden. Spektakulärer Speed-Pop für alle Mädchen und jung gebliebenen Jungs, bei dem Dinosaur Jr., Jesus And The Mary Chain, aber auch Jonathan Richman Pate standen. Ein Album wie von einer musikalischen Galapagos-Insel. Es geht um Privates, Hintergründiges und Absurdes, aber auch um den Zusammenhang von Kapitalismus und Schizophrenie. Oder anders: Cornfield und seine Sicht der Welt: ehrlich, gefühlvoll und zynisch inszeniert. Geholfen haben dabei Produzent Moses Schneider (u. a. Tocotronic, Beatsteaks) und Mischer Michael Ilbert (The Hives).
| CD | |||
| 1 | Ich Katze Du Hund | 00:02:22 | |
| 2 | Der Brief | 00:02:42 | |
| 3 | Badengehen | 00:02:54 | |
| 4 | Sie Liebt Hip Hop | 00:03:11 | |
| 5 | Wir Machen Lärm! | 00:02:11 | |
| 6 | Soviel Geraucht | 00:04:18 | |
| 7 | Menschen Springen Von Hochhäusern | 00:01:59 | |
| 8 | Grösster Anhänger | 00:02:13 | |
| 9 | So Wie Dein Kopf Schwirrt | 00:03:30 | |
| 10 | Herr Traurigmann | 00:03:18 | |
| 11 | Das Geld, Der Ruhm Und Die Mädchen | 00:03:20 | |
| 12 | Punks Not Dead | 00:02:45 | |
| 13 | Das Feuerwerk Ist Aus | 00:03:22 | |
Auf einmal steht sie vor mir, die ebenso alters- wie geschlechtslose Allegorie einer Jugend, die weder Skinhead-Bomberjacken noch sommerliche Tops tragen kann, kein aktuelles Lip Gloss besitzt, auf Clearasil verzichten, aber auf Kukident noch lange warten muß und eher nach einem halben Bierchen zuviel als nach Ralph Lauren riecht. Sie ist bleich und dürr, lutscht an den eigenen Haarspitzen, kratzt mit dem abgeschabten rechten Turnschuhspitzchen auf dem Boden rum, schaut mich traurig an, holt tief Luft und sagt: Gibt es für mich eigentlich auch so was wie passende Popmusik, oder muß ich, weil ich vom bunten Umzugsauto des Dabeiseins gefallen bin, von jetzt an Henze, Boulez und Siegfried Palm hören? Fürchte dich nicht, arme Kreatur, was du ersehnst, ist vorhanden. Es handelt sich dabei um Rockmusik in zwei möglichen Bauweisen, "Heavy Metal" und "Quengelbeat". Aus dem Rock 'n' Roll hervorgegangen, der erfunden wurde, um eine mehr oder minder deutlich sexualisierte, frei flottierende Schwererziehbarkeit zu kommunizieren, bezeichnet der Name "Rock" bekanntlich eine schon leicht verhärtete, zu Posen erstarrte Reifestufe des ursprünglich bei unzufriedenen Schwarzen geklauten Gedengels und Geschreis der Verstörten und Enterbten, von dem alle Popmusik abstammt. Während "Hard Rock" und "Heavy Metal" (Drohen und Brüllen) diese Verhärtung seit den mittleren Siebzigern zum Programm machten und sich von allen weiteren Entwicklungen glücklich abkoppelten, emergierte über die Zwischenplateaustufen des brokatvorhangbehangenen "Classic Rock" der Sechziger sowie Siebziger (Jaulen) und des misanthropischen "Punk Rock" der Siebziger und Achtziger (Pöbeln) in den Neunzigern schließlich das waschlappigst denkbare Verwesungsprodukt der Ur-Idee, "Alternative Rock" (Jammern). Dessen wummerndes Pathos vollendeter Orientierungslosigkeit nun wird, das ist Quengelbeat, in ein paar Wochen von der neuen deutschen Band "Katze" auf ihrem Debütwerk ". . . von hinten!"(Zickzack/ Indigo ZZ 2011) erfolgreich zerkrümelt und in eine zutiefst berechtigte Beschwerdekunst darüber verwandelt werden, daß man als privilegierter Westler momentan in Zeiten zu leben gezwungen ist, in denen zwar die Gesamtgesellschaft zunehmend altert, man selber aber einfach nicht erwachsen werden darf. Dazu macht man, wissen "Katze", am besten herzige Gitarrenknautschgeräusche, singt zwei- oder mehrstimmig in verschiedenen unmaskulinen Geschlechtertonlagen von Frau bis Knäblein und liefert kleine lyrische Sofortbilder der kurrenten Gesamtregression aller Menschen guten Willens: "Sie liebt Hip-Hop / Das merk' ich an den Dingen, die sie tut / sind alle verboten / sind alle nicht gut." Wer das zu mikroästhetisch gedacht findet, muß vom Quengelbeat auf den Heavy Metal ausweichen und die am Montag erscheinenden "Greatest Hits" von "Megadeth" hören (Capitol/EMI 30771), deren größter Songtitel sagt, wie man sich fühlt, wenn man vor lauter Überdruß nicht mal mehr quengeln kann: "Angry Again". Das Coverbild der Quengelbeat-Platte ziert ein gezeichnetes Kätzchen, das der Heavy-Metal-Werkschau ein Atompilz: Chiffren für die wichtigsten Gemütslagen derer, denen die Tür zum Erwachsensein versperrt ist. Sie werden immer mehr.
DIETMAR DATH
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