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Trackliste
CD
1Oh What A World00:04:27
2I Don't Know What It Is00:04:53
3Vicious World00:02:50
4Movies Of Myself00:04:31
5Pretty Things00:02:41
6Go Or Go Ahead00:06:40
7Vibrate00:02:45
814th Street00:04:44
9Natasha00:03:29
10Harvester Of Hearts00:03:35
11Beautiful Child00:04:15
12Want00:05:11
1311:1100:04:28
14Dinner At Eight00:04:37
15Weblink (Rufus Wainwright/Want)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.12.2003

Mehr als ein schönes Leben kann keiner wollen
Trauer ist etwas, das riecht wie Absinth oder wie Veilchen: Der Songschreiber Rufus Wainwright ist mit seinem dritten Album zurück

Mit herkömmlichem Singer-Songwritertum hat das, was der dreißigjährige Rufus Wainwright auf seinen Platten veranstaltet, nur noch am Rande zu tun. Denn während Generationsgenossen wie Adam Green oder Ron Sexsmith sich auf ihren aktuellen Veröffentlichungen ungebrochen in der Gebärde des Poeten und Weltverbesserers gefallen, bewegt sich Wainwright längst in anderen, entrückteren Sphären. Seine pompösen, wie aus der Zeit gefallenen Arrangements deklinieren die Grammatik eines dekadenten, sich lustvoll gerierenden Dandytums, deren schmachtende Melodiebögen Wainwrights zerbrechlicher Bariton immer wieder konterkariert.

Bereits mit seinem unbetitelten Debütalbum schlug der Sohn des legendären, einst zu einem zweiten Bob Dylan erklärten Loudon Wainwright III und der Folksängerin Kate McGarrigle 1998 einen ersten, unverwechselbaren Akkord an: zwölf trunkene, mit geradezu religiöser Verzückung intonierte, den Geruch von Absinth und Veilchen verströmende Songs, die mehr an Schubert, Gershwin oder Oscar Wilde denken ließen denn an den pop-musikalischen Zeitgeist jenes zu Ende gehenden Jahrtausends. Die einschlägigen Branchenblätter feierten den charismatischen Sonderling fortan als legitimen Erben des sagenhaften Van Dyke Parks, dieses Sechzigerjahre-Wunderkinds des Westcoast-Psychedelic-Barock. Dessen schwärmerisch-barocke Orchester-Arrangements schreiben sich in Wainwrights eigenen Liedern fort.

Das zweite Album "Poses" enthielt dreizehn makellose Popsongs, die Spaß und Lustgewinn suggerierten. Doch unter den spottenden, nicht selten gelächterhaft anmutenden Leierkastenmann-Ton begannen sich zum Ende hin Schluchzer zu mischen. "Poses" war Wainwrights vorläufig letzte, auf Platte festgehaltene Pop-Messe vor dem persönlichen Zusammenbruch; ein, wie es schien, letzter Höhenflug vor dem Absturz. Anhaltende Drogenexzesse hatten den Früherleuchteten ziemlich abrupt aus der Bahn katapultiert. Die Folge waren eine Schreibblockade und eine vierwöchige Entziehungskur, an deren Ende ihn Katharsis und Neubeginn erwarteten.

Inzwischen liegt das dritte Album vor: "Want One". Wainwright steigert darauf das Erlebte in eine neue, berührend schöne Sprache. Doch Elend, Schmerz und Gebrochenheit vertont er nicht in der Manier des rauhen, reduzierten Blues, sondern mit Fanfarenstößen und einer kalkulierten Süße. So trägt sein noch hinter Klinikwänden zu Ende gebrachtes neues Album nicht zuletzt deswegen Züge eines visionären, kühn austarierten Meisterwerks. In rascher Folge hatte der Kanadier dreißig Popsongs aufgenommen, die in einem Doppelalbum namens "Want" hätten vereint werden sollten. Doch seine Plattenfirma Dreamworks bestand darauf, den Kuchen in zwei Hälften zu zerschneiden. Nach dem nun vorliegenden ersten Teil soll bereits im kommenden Frühjahr "Want Two" folgen - eine Ankündigung, die beachtliche Erwartungen schürt, denn bereits das vorliegende Material liefert ein schwindelerregendes Pastiche aus Ideen und Anspielungen.

Reminiszenzen an Musical und Oper bis hin zum Gassenhauer bündelt Wainwright in vierzehn unvergleichlich schönen Arrangements. Und wenn er mit animierendem Furor singt "Wäre es nicht schön, wenn die ,New York Times' titelte: Das Leben ist schön!", so klingt dies wie der selige Wunsch eines Überlebenden. Denn natürlich atmet Wainwrights neues Album unverhohlene Desillusion und den Nachklang einer großen, inneren Erschütterung. Die von einem bisweilen einsilbig-nasalen Sprechgesang dominierten Überlebenslieder erweisen sich aber keineswegs als selbstmitleidig oder gar reuevoll. Im Gegenteil: Häufig triumphieren in den Texten Schwärmerei und ein vitales Verlangen nach Lust und Leben, mal in der atemlos-gepreßten Art Randy Newmans, mal in der satten, anstachelnden Tonlage des frühen Billy Joel.

Wenn der Kanadier sich im Rahmen des Auftaktstücks "Oh What A World", von herzerwärmenden Drehorgelklängen begleitet, das Bekenntnis "Live is beautiful" erlaubt, so liefert dieses Eingeständnis nicht nur einen Einblick in seinen gegenwärtigen Seelenzustand. Vielmehr bildet das Stück das musikalisch prunkvolle Intro zu einem der grandiosesten Pop-Alben dieses Jahres; einer furiosen, in sich geschlossenen Pop-Oper für eine Stimme und einer Reverenz an Leute wie Leonard Cohen oder Brian Wilson.

Vor allem aber ist "Want One" wohl als Verneigung vor Van Dyke Parks zu verstehen, diesem in die merkwürdigsten Richtungen unterschwellig ausstrahlenden Kraftzentrum, ohne dessen Einflüsse auch diese popsymphonischen Eskapaden bestimmt nicht denkbar wären. Wie auch immer - Rufus Wainwright ist zurück, und das Orchestrion spukt leise, wunderbare Töne.

PETER HENNING

Rufus Wainwright, Want One. Dreamworks 5046108 (Universal)

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