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MrsAmy

Bewertungen

Insgesamt 21 Bewertungen
Bewertung vom 21.06.2025
Strandgut
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Earlon „Bucky“ Bronco hat ein einfaches, aber bewegtes Leben hinter sich. Sein gesamtes Dasein hat er in Chicago verbracht, ist verschiedenen Arbeiten nachgegangen und hat seine Frau Maybell über alles geliebt. Jetzt ist Bucky alt, seine Frau Maybell wurde ihm vor einem Jahr vom Krebs entrissen und um durch den Tag zu kommen, braucht er Opioide. Da erhält er plötzlich eine Einladung an eine englische Küstenstadt. Ein kleines Musikfestival – und er soll singen. Den Bucky ist für so manchen Engländer eine wahre Soullegende. In den 60ern hatte er zwei Songs aufgenommen als seine Karriere schon wieder endete, bevor sie überhaupt begann. Seither hat Bucky nicht mehr gesungen, doch da der Auftritt ein paar Dollars für ihn bedeuten, lässt er sich auf das Abenteuer ein.

„Strandgut“ ist ein ruhiger, tiefgreifender Roman von Benjamin Myers. Es ist lange her, dass ich einen Roman derart genießen konnte. Wie angespültes Strandgut trifft Bucky in dem Ort Scarborough auf und begegnet Dinah, die sich das Wochenende über um ihn kümmern soll. Dinah, die sich in den 40ern befindet, ein glühender Fan von Bucky ist und die ebenfalls ein nicht ganz so einfaches Leben mit einem nutzlosen Mann und einem nutzlosen Sohn lebt. Und doch liebt sie ihr Leben, liebt das, was es wirklich ausmacht. Es wird für alle ein intensives Wochenende, voller Musik, Tanz und Schmerz. Benjamin Myers geht in seinem Roman m.E. der Frage nach, was das Leben eigentlich lebenswert macht, warum es sich einfach lohnt. Am Ende ist jedes Leben einzigartig und die Menschen, denen wir begegnen prägen uns oft für immer.

Bewertung vom 11.05.2025
Perlen
Hughes, Siân

Perlen


ausgezeichnet

Marianne ist ein glückliches Kind. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Vater Edward wohnt sie in einem alten bäuerlichen Haus auf einem Dorf. Ihre Mutter unterrichtet sie zu Hause und ihr Alltag ist erfüllt von Liebe, Neugier und Natur. Auch als ihre Mutter ein zweites Kind bekommt, bleibt die Idylle erhalten. Doch eines Nachmittags verlässt die Mutter das Haus und kehrt nie wieder zurück. Es ist ein so einschneidender Verlust, der das Leben von Marianne für immer prägen wird. Nichts ist mehr wie zuvor. Es dauert Jahre, bis Marianne beginnt, sich mit den eigenen Erinnerungen auseinanderzusetzen.

Der Roman Perlen von Siân Hughes ist kein einfacher Roman. Die Handlung erstreckt sich über gerade einmal 267 Seiten, doch ich habe lange gebraucht, ehe ich wirklich im Lesefluss war. Die Kapitel sind eben wie kleine Perlen und man muss schon mehrere betrachten, dass sich, wie bei einer Kette, Sinn und Schönheit ergeben. Der Schreibstil ist sehr ansprechend, und mit jeder Seite lernt man Marianne, aber immer wieder auch ihren Vater Edward kennen. Von ihrem später geborenen Bruder Joe erfährt man hingegen nur wenig, denn er ist ohne Mutter aufgewachsen, kennt es nicht anders. Man könnte sagen, er ist am wenigsten versehrt von dem einen großen Verlust. Perlen hat mich angerührt und am Ende konnte ich das Buch wirklich schwerlich aus der Hand legen, es ist ein Roman, der lange nachhallt und den man unbedingt lesen sollte. Aber eben zur rechten Zeit, wenn man Ruhe hat, keine Eile, denn dieses Buch braucht wirklich Platz, um seine wahre Schönheit zu entfalten.

Bewertung vom 26.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Noah ist Künstler und wartet auf den ganz großen Durchbruch. Und bis dahin sorgt seine Freundin Camila mit ihrem Job als Buchhalterin für ein halbwegs einträgliches Leben. Doch Camila hat es satt, dass sie einer Arbeit nachgehen muss, die sie nicht mag, um jeden zu finanzieren, der seinen Job liebt. Camila liebt als Noah, nicht aber das Leben mit ihm. Sie ist schön, jung und sie will endlich reich sein. Also trennt sie sich kurzerhand von ihm. Für Noah bricht die Welt zusammen. Camila ist die Liebe seines Lebens. Er will um sie kämpfen und um sie zurückzuerobern benötigt er vor allem Geld. Da lernt er Betty kennen. Eine rüstige Dame, vermögend, mit Wut im Bauch. Im Alkoholrausch bietet sie ihm eine Chance, die ihre Wut befriedigen und ihm ein Vermögen einbringen würde. Noah willigt ein. Doch wird das sein Glück zurückbringen?

Martin Suter präsentiert mit „Wut und Liebe“ einen wunderbar unterhaltsamen Roman, der sich leicht lesen lässt und den man wirklich schwer aus der Hand legen kann. Die Kapitel sind immer recht kurz, zeigen die Welt zumeist aus dem Blickwinkel von Noah, manchmal aber auch aus Camilas Sicht. Die Handlung verläuft linear und es baut sich langsam aber sicher eine unheilvolle Spannung auf. Die Charaktere sind dabei nachvollziehbar gestaltet und auch ihre Motive scheinen klar zu sein. Ich mochte vor allem Noah, der manchmal ein wenig naiv scheint. Ein echter Künstler, ein bisschen verraten von der Welt, der aber stets an das Gute glaubt. Und natürlich Camila, die sich einfach mehr erhofft und dafür auch bereit ist konsequente Entscheidungen zu treffen und dann auch an ihnen festzuhalten. Doch das Leben geht seine ganz eigenen Wege. Was übrigens auffällt: alle Charaktere trinken ausnehmend viel Alkohol. Überhaupt scheint das, das alles verbindende Element zu sein. Vielleicht werden daher auch manchmal Entscheidungen getroffen, über die man nur den Kopf schütteln kann, die nicht ganz realistisch erscheinen, die aber im Roman durchaus nachvollziehbar gestaltet sind. Jedenfalls: ein echter Suter und damit auch ein echtes Lesevergnügen! Diesen Roman sollte man sich nicht entgehen lassen.

Bewertung vom 30.03.2025
A Fate Inked in Blood
Jensen, Danielle L.

A Fate Inked in Blood


ausgezeichnet

Freya ist eine starke Frau, doch in einer Welt, die von Männern beherrscht wird, ist es nicht einfach, für sich selbst einzustehen. Vor allem nicht, wenn man die Schildmaid ist und sich um sie eine mächtige Prophezeiung rankt. So heißt es, dass wer sie, die von einer Göttin begünstigt wurde, lenkt, zum König des zerrissenen Reiches wird. Als der Jarl ihres Gebietes sie entdeckt, wird ihre bisherige (unglückliche) Ehe gelöst und sie wird die zweite Frau des Jarls. Um sicherzugehen, dass sie tut, was immer er für sie vorgesehen hat, verwendet er ihre Familie als Faustpfand. Freya hasst die Rolle, die ihr zugedacht ist, vor allem aber hasst sie, nie ihre eigenen Entscheidungen treffen oder für sich einstehen zu können. Und dann ist da noch Bjorn, der attraktive Sohn des Jarls, der eine ungeheure Anziehungskraft auf sie hat …

Der Ravensburger Buchverlag legt mit dem ersten Teil der Skaland-Saga ein Fantasy-Buch vor, dass man so schnell nicht aus der Hand legen kann. Die Autorin Danielle L. Jensen entführt den Leser mit „A Fate inked in Blood“ in eine raue, nordische Welt, in der das Recht des Stärkeren gilt und der Kampf ums Überleben auf der Tagesordnung steht. Freya lernen wir dabei als eine junge, eigensinnige und starke Frau kennen, die sehr darunter leidet, dass sie nie ihre eigenen Entscheidungen treffen kann. Denn wenn sie ihre Familie schützen und nicht der Wut des Herrschers preisgeben möchte, dann muss sie das Werkzeug ihres Mannes, des Jarls sein. Der Handlungsverlauf ist aus meiner Sicht sehr gut nachvollzieh- aber nicht vorhersehbar. Manche Entwicklungen ist man natürlich gewohnt, vor allem was den romantischen Teil angeht, aber dennoch bleibt das Buch erfrischend und gut. Auch mag die Verbindung von Kampf, Schicksal und Göttermagie, denn die Götter spielen doch eine große Rolle. So gibt es einige Protagonisten, die von den Göttern begünstigt wurden, wie etwa Bjorn, der über eine Flammenaxt verfügt und damit seine Gegner in Angst und Schrecken versetzt. Insgesamt ist der erste Band der Skaland-Saga (zwei Teile wird geben) ein sehr gelungenes Buch, dass aus der aktuellen Maße an Fantasyromanen definitiv hervorsticht.

Bewertung vom 09.03.2025
Die Summe unserer Teile
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


ausgezeichnet

Endlich Semesterferien! Lucy will nur eines: den Sommer an den verschiedener Berliner Seen genießen, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Phil. Doch als sie ihr WG-Zimmer betritt, steht da plötzlich ein Steinway-Flügel. Ihr Steinway-Flügel, den sie eigentlich zusammen mit ihrem alten Leben in München zurückgelassen hat. Denn Lucy ist geflohen, geflüchtet vor ihrer Mutter, die ihr kaum Platz zum Atmen lies. Hals über Kopf vor ein paar Jahren einfach so, ohne es ihren Eltern zu sagen. Kontakt? Keine Spur. Doch nun hat die Mutter anscheinend herausgefunden, wo Lucy wohnt und ihr den Flügel geschickt. Er steht für alles, was sie verdrängt hat. Und plötzlich fängt Lucy an, an ihre Großmutter Lyudmila – eine Polin, die damals als junges Mädchen ebenfalls von zu Hause ausriss und in Sopot an der polnischen Ostsee Zwischenstation machte und schließlich während des zweiten Weltkriegs nach Beirut flüchtete. Dort wuchs Lucys Mutter Daria auf, und auch sie flüchtete vor ihrer Mutter nach München, um sich dort ein Leben als Ärztin aufzubauen. Lucy drängen sich Fragen zu ihrer Großmutter auf und sie beschließt, nach Sopot zu reisen, um den Wegen von damals nachzuspüren.

Mit „Die Summe unserer Teile“ hat Paola Lopez einen herausragenden Roman vorgelegt, in dem sich zumindest in Teilen jede Mutter, jede Tochter wiederfinden sollte. Es geht dabei vor allem um das Bewusstsein, dass jede Mutter und jede Tochter auch ihr eigenes Leben hat und nicht nur im Kontext des Mutter- und Tochterseins gesehen werden sollte. Das es Erfahrungen gibt, die die jeweils andere Generation nicht kennt, die die Menschen aber geformt haben und sie auch zu dem machen, was sie sind. Sich dessen bewusst zu machen, würde wohl oftmals das gegenseitige Verständnis fördern. Zudem ist der Roman wirklich mitreisend. Ich fand es wahnsinnig interessant, Ausschnitte aus den Lebensgeschichten von Ludmila und Daria zu erfahren. Diese Ausschnitte sind immer wieder mittels einzelner Kapitel in die Handlung eingeflochten und fangen stets in dem Lebensalter an, in dem auch Lucy sein dürfte. Es ist die Zeit, in der wir uns als Menschen selbst finden, die uns ein Leben lang prägt. Für mich ist „Die Summe unserer Teile“ schon jetzt ein Lesehighlight in 2025!

Bewertung vom 14.02.2025
Our Infinite Fates
Steven, Laura

Our Infinite Fates


weniger gut

Evelyn ist alt, älter als man auf den ersten Blick vermuten mag. Denn sie ist gefangen in einem Kreislauf. In jedem ihrer Leben versucht sie, 18 Jahre alt zu werden. Älter werden, bei ihrer jeweiligen Familie bleiben … das ist ihr größter Wunsch. Und doch geht er nie in Erfüllung, weil stets der Tod auf sie wartet. Arden bringt den Tod. Arden, den sie liebt, den sie immer geliebt hat und immer lieben wird. Doch kurz vor ihrem 18. Geburtstag bringt er sie um, manchmal auch sie ihn, um ihm zuvorzukommen. Doch Evelyn hat genug davon, sie will den Kreislauf durchbrechen und endlich antworten. Doch wird es dieses Mal anders enden?

Ich hatte einige Erwartungen an Laura Stevens Fantasywerk „Our Inifinite Fates“ … leider wurden die meisten davon enttäuscht. Doch zuerst zum Positiven. Das Buch – immerhin 400 Seiten stark – lässt sich echt gut lesen. Die Kapitel haben eine gute Länge und man ist schnell drin in der Handlung. Die Haupthandlung spielt in Wales im Jahr 2022, Evelyns aktuelles Leben, in dem sie verzweifelt versucht, ihre Schwester zu retten. Diese ist an Leukämie erkrankt und nur Evelyn kann ihr mit einer Knochenmarksspende helfen. Doch die Zeit ist knapp, bald wird sie 18. und ihre größte Liebe und zugleich ihr Mörder lauert schon. Immer wieder gibt es dazwischen Kapitel mit Arden und Evelyn aus einem ihrer früheren Leben. Kurze Abrisse, die die Liebe, aber auch Verzweiflung zwischen den beiden verdeutlichen sollen. Leider hat mich die Handlung so gar nicht mitgenommen. Zu Arden konnte ich einfach keine Verbindung aufbauen und die Liebesgeschichte wirkte schwer nachvollziehbar. Ja, Arden liebt Evelyn über alles, aber er muss sie einfach umbringen. Warum? Sagt er nicht, kann er nicht, würde zu sehr wehtun. Das wirkte einfach extrem konstruiert, auch konnte ich die Liebe zwischen den beiden nicht wirklich spüren. Auf den ersten 300 Seiten passiert zudem eigentlich nichts. Die Handlung hätte auch in gut 50 Seiten gepasst. Am Ende nimmt das Ganze noch ein bisschen Fahrt auf, aber auch hier: alles zu konstruiert. Und ehrlich gesagt: Noch eine Nummer größer ging es dann wohl nicht? Schade, dieses Buch hat mich um Grunde nur eines: echt enttäuscht!

Bewertung vom 29.01.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


ausgezeichnet

Paulina hatte augenscheinlich einen Unfall. Sie weiß, sie ist in ihrem Auto und alles schmerzt. Doch was macht sie hier eigentlich? Wer ist der Hund, der bellt, wer ist das Mädchen, das augenscheinlich auch im Auto saß und wenig verletzt zu sein scheint. Ein Rätsel dieses Dasein.
Vorher: Pauline ist eine nicht mehr ganz junge, und noch keine alte Frau. Sie ist 35 Jahre alt und lebt in Buenos Aires. Acht Stunden am Tag verbringt sie im Büro der Versicherungsgesellschaft, bei der sie angestellt ist. Kein Job, der sie erfüllt, aber es ist okay. Wer mit ihr spricht, muss mit ihrer bissigen Ehrlichkeit klarkommen. Klar kommt vor allem Maite mit ihr, ihre wahrscheinlich einzige Freundin. Paulina ist unnahbar, da ist ein Schild um sie herum. Felipe, ihr Freund, scheint sie nicht zu interessieren. Auch der Hund nicht, der in ihrer Wohnung lebt. Doch stimmt das alles so? Und was ist eigentlich der Sinn des Lebens?

Camila Fabri legt mit „Dancing Queen“ einen wirklich guten Roman vor, der mit seinen 173 Seiten kein allzu großes Werk, dafür aber ein umso stärkeres ist. Wir tauchen ein in Paulinas Lebenswelt. Lernen ihre spröde, bissige Art kennen, mit der sie durch das Leben geht. Und dazwischen immer wieder Szenen aus dem Hier und Jetzt, von dem Unfall. Der vielleicht einen Wendepunkt markiert, auf den alles zuläuft. Das Eis bricht nach und nach und man merkt, das Pauline vielleicht gar nicht so ist, wie sie scheint. Das auch sie Freundschaft, Liebe und einen Sinn im Leben braucht. „Dancing Queen“ ist ein Roman, der uns zwingt, hinter die Fassade zu blicken. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 11.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Eduard Brünhofer ist auf dem Weg von Wien nach München. Für seine Reise hat er den Zug gewählt, weniger aus ökologischen Gedanken, das Flugzeug war vielmehr zu teuer. Denn ein wenig aufs Geld schauen muss er schon, er der einstmals gefeierte Autor. Doch schon seit vielen Jahren hat er nichts mehr zu Papier gebracht. Der Termin in München setzt ihn unter Druck, eigentlich müsste er noch etwas vorbereiten, aber dann spricht ihn im Zug eine Frau an und verwickelt ihn in ein immer tiefgehendes Gespräch über die Liebe und die Beziehung zu seiner Frau im Besonderen. Brünhofer ist ein wenig irritiert, er kennt die Frau ja gar nicht. Aber sie ist geschickt, bringt ihn immer wieder dazu, ihren Fragen zu antworten und so entspinnt sich ein Dialog über die verschiedenen Facetten von Liebe, Ehe und den Glauben oder Nichtglauben an Langzeitbeziehungen.

Daniel Glattauers neuer Roman „In einem Zug“ nimmt den Leser auf insgesamt 204 Seiten mit auf die Zugfahrt zwischen Wien und München. Ein etwas anderer Roman, der natürlich ein wenig Handlung bereithält, immerhin muss man sich im Zug auch einmal die Beine vertreten, besucht das Bordbistro und macht auch einmal die Bekanntschaft noch weiterer Fahrgäste aber ansonsten passiert nicht wirklich viel. Der Schwerpunkt liegt klar auf dem Dialog zwischen Eduard Brünhofer, dem einstmals gefeierten Autor, der sich schmerzlich seiner nachlassenden Wirkung vor allem auf das weibliche Geschlecht bewusst ist, und Catrin Meyr, seiner zufälligen Sitznachbarin im Viererabteil. Der Dialog ist oftmals kurzweilig, unterhaltsam und regt gleichsam an vielen Stellen auch zum Nachdenken an. Brünhofer fühlt sich von Catrin nicht selten in die Ecke gedrängt, reagiert mit unter trotzig, aber aus meiner Sicht bleibt er immer wahrhaftig. Im Mittelteil des Romans war es mir manchmal schon etwas lang, ich liebe Handlung und habe sie hier mitunter doch vermisst. Doch schon bald nimmt das Buch wieder (wie der Zug) Fahrt auf und am Ende muss ich sagen, was für ein genialer Roman. Wer jetzt neugierig geworden ist, dem kann ich dieses literarische Gusto-Stück nur wärmstens ans Herz legen.

Bewertung vom 01.12.2024
Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2
Tack, Stella

Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2


ausgezeichnet

Rain ist nicht nur die Nachfahrin von Schneewittchen, sondern sie hat es auch geschafft, den Prinzen wachzuküssen. Eigentlich hatte sie darauf gar keine Lust – denn wer will schon einen Skelettschädel küssen, den schon unzählige Märchennachfahrinnen an ihrem 18 Jahre Geburtstag versucht haben, ins Leben zurück zu holen. Doch Rain ist das Unmögliche gelungen. Doch statt neuem Glanz kommt mit dem dunklen Prinzen der Weltuntergang einher. Die Welt liegt in Trümmern und Rain befindet sich in der Gewalt des Prinzen, der sich auf dem Carneval des Teufels sein Hauptquartier geschaffen hat. Fieberhaft überlegt sie, zusammen mit ihrem Cousin Avery, der in einen Spatz verwandelt wurde, wie sie nicht nur dem Prinzen entkommen, sondern dabei auch noch die Welt retten kann. Und dann ist da natürlich noch Cole, der das gute Abbild des Prinzen ist, von ihm aber wieder in die Welt hinter den Spiegeln verband wurde, und in den sich Rain verliebt hat.

Klingt nach einer komplizierten Handlung? Nein, eigentlich nicht. Immerhin reden wir hier vom zweiten Band „Die dunkle Hochzeit“ der Triologie „Ever & After“ der deutschen Autorin Stella Tack. Wer bereits den ersten Band gelesen und sehnsüchtig auf die Fortsetzung gewartet hat, ist schnell drin in der Handlung und wird das Buch kaum noch aus den Händen legen können. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, dem sei dieser auf jeden Fall im Vorfeld ans Herz gelegt. So versteht man vor allem die Geschichte zwischen Rain und Cole besser, der im zweiten Band lange nur eine untergeordnete Rolle spielt, da er einfach von der Bildfläche verschwunden ist. Dafür lernen wir den dunklen Prinzen besser kennen. Der zweite Band besticht auf über 700 Seiten durch eine gut durchdachte Handlung, die tatsächlich ganz ohne unnötige Längen auskommt. Auch das es nun doch einen dritten Band geben wird, stört mich nicht im geringsten, weil das Buch sich absolut super und spannend lesen lässt. Beeindruckend finde ich bei Stella Tack, dass die Handlung in weiten Teilen grausam, düster und auch echt brutal ist, sie dem Ganzen – vor allem durch Rain und die anderen „guten Figuren“ – aber dennoch eine noch vertretbare Leichtigkeit gibt. Kurzum: ein kurzweiliges, spannendes Lesevergnügen zum einfach Abtauchen in eine andere Welt.

Bewertung vom 05.11.2024
Als wir im Schnee Blumen pflückten
Harnesk, Tina

Als wir im Schnee Blumen pflückten


ausgezeichnet

Máriddja und ihr Mann Biera haben ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Jetzt sind beide im Herbst ihres Lebens angekommen und Biera versinkt zunehmend im Vergessen, während Máriddja eine Krebsdiagnose erhält. Sie wird sterben, aber noch ist es nicht soweit und sie ist fest entschlossen, ihr Leben bis dahin noch ein wenig zu genießen und Biera zu beschützen. Immer wieder gehen ihre Gedanken nun auch in die Vergangenheit. Das Ehepaar, das in einem kleinen abgelegenen Dorf lebt, wurde zeitlebens nicht mit Kindern beschenkt, obwohl sie sich nichts sehnlichster wünschten. Doch eine Zeit lang lebte ihr Neffe, als Baby und Kleinkind bei ihnen und erhellte ihre Welt. Doch dann wurde er ihnen wieder entrissen und der Schmerz über diesen Verlust hat sie tief geprägt.
Kaj und Mimmi sind ein junges Pärchen, dass der Stadt den Rücken zuwendet und in einem kleinen schwedischen Dorf mitten in der Natur ein Haus gekauft haben. Langsam kommen die beiden in der neuen Umgebung an und lernen die Menschen des Ortes kennen. Dabei wird Kaj auf sanfte Weise Schritt für Schritt in seine früheste Kindheit zurück entführt.

„Als wir im Schnee Blumen pflückten“ ist ein leichter und dennoch berührender Roman von Tina Harnesk. Die Handlung verläuft in zwei Strängen. Da sind einmal die Kapitel, die die etwas schrullige und liebenswerte Máriddja in den Vordergrund rücken und dann jene, in denen das Leben von Kaj und seiner Mimmi im Fokus stehen. Dabei bleibt lange Zeit unklar, in welchem zeitlichen Verhältnis beide Handlungsstränge zueinander stehen, was eine ganz eigene Spannung erzeugt und mich immer wieder hat weiter lesen lassen. Die Kapitel haben eine sehr angenehme Länge und die einzelnen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Vor allem in Kaj konnte ich mich gut hineinfühlen, bei Márddja hatte ich mitunter etwas Schwierigkeiten, auch weil manche Dinge lange Zeit nicht wirklich benannt werden und ihre Handlungen mitunter für mich als Leserin keinen Sinn ergeben haben. Die Unterhaltungen von Márddja mit der netten jungen Telefonistin „Siré“ – womit natürlich Siri von Apple gemeint ist, sind an sich gut erheiternd, treffen aber nicht so ganz meinen Humor, da es doch etwas konstruiert wirkte. Da diese Stellen, aber nicht soviel Raum im Platz einnehmen, fällt es nicht ganz so stark ins Gewicht. Ansonsten legt Harnesk hier einen wunderbaren Roman für lange Winterabend vor.