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MrsAmy

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
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Bewertung vom 29.01.2025
Dancing Queen
Fabbri, Camila

Dancing Queen


ausgezeichnet

Paulina hatte augenscheinlich einen Unfall. Sie weiß, sie ist in ihrem Auto und alles schmerzt. Doch was macht sie hier eigentlich? Wer ist der Hund, der bellt, wer ist das Mädchen, das augenscheinlich auch im Auto saß und wenig verletzt zu sein scheint. Ein Rätsel dieses Dasein.
Vorher: Pauline ist eine nicht mehr ganz junge, und noch keine alte Frau. Sie ist 35 Jahre alt und lebt in Buenos Aires. Acht Stunden am Tag verbringt sie im Büro der Versicherungsgesellschaft, bei der sie angestellt ist. Kein Job, der sie erfüllt, aber es ist okay. Wer mit ihr spricht, muss mit ihrer bissigen Ehrlichkeit klarkommen. Klar kommt vor allem Maite mit ihr, ihre wahrscheinlich einzige Freundin. Paulina ist unnahbar, da ist ein Schild um sie herum. Felipe, ihr Freund, scheint sie nicht zu interessieren. Auch der Hund nicht, der in ihrer Wohnung lebt. Doch stimmt das alles so? Und was ist eigentlich der Sinn des Lebens?

Camila Fabri legt mit „Dancing Queen“ einen wirklich guten Roman vor, der mit seinen 173 Seiten kein allzu großes Werk, dafür aber ein umso stärkeres ist. Wir tauchen ein in Paulinas Lebenswelt. Lernen ihre spröde, bissige Art kennen, mit der sie durch das Leben geht. Und dazwischen immer wieder Szenen aus dem Hier und Jetzt, von dem Unfall. Der vielleicht einen Wendepunkt markiert, auf den alles zuläuft. Das Eis bricht nach und nach und man merkt, das Pauline vielleicht gar nicht so ist, wie sie scheint. Das auch sie Freundschaft, Liebe und einen Sinn im Leben braucht. „Dancing Queen“ ist ein Roman, der uns zwingt, hinter die Fassade zu blicken. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 11.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Eduard Brünhofer ist auf dem Weg von Wien nach München. Für seine Reise hat er den Zug gewählt, weniger aus ökologischen Gedanken, das Flugzeug war vielmehr zu teuer. Denn ein wenig aufs Geld schauen muss er schon, er der einstmals gefeierte Autor. Doch schon seit vielen Jahren hat er nichts mehr zu Papier gebracht. Der Termin in München setzt ihn unter Druck, eigentlich müsste er noch etwas vorbereiten, aber dann spricht ihn im Zug eine Frau an und verwickelt ihn in ein immer tiefgehendes Gespräch über die Liebe und die Beziehung zu seiner Frau im Besonderen. Brünhofer ist ein wenig irritiert, er kennt die Frau ja gar nicht. Aber sie ist geschickt, bringt ihn immer wieder dazu, ihren Fragen zu antworten und so entspinnt sich ein Dialog über die verschiedenen Facetten von Liebe, Ehe und den Glauben oder Nichtglauben an Langzeitbeziehungen.

Daniel Glattauers neuer Roman „In einem Zug“ nimmt den Leser auf insgesamt 204 Seiten mit auf die Zugfahrt zwischen Wien und München. Ein etwas anderer Roman, der natürlich ein wenig Handlung bereithält, immerhin muss man sich im Zug auch einmal die Beine vertreten, besucht das Bordbistro und macht auch einmal die Bekanntschaft noch weiterer Fahrgäste aber ansonsten passiert nicht wirklich viel. Der Schwerpunkt liegt klar auf dem Dialog zwischen Eduard Brünhofer, dem einstmals gefeierten Autor, der sich schmerzlich seiner nachlassenden Wirkung vor allem auf das weibliche Geschlecht bewusst ist, und Catrin Meyr, seiner zufälligen Sitznachbarin im Viererabteil. Der Dialog ist oftmals kurzweilig, unterhaltsam und regt gleichsam an vielen Stellen auch zum Nachdenken an. Brünhofer fühlt sich von Catrin nicht selten in die Ecke gedrängt, reagiert mit unter trotzig, aber aus meiner Sicht bleibt er immer wahrhaftig. Im Mittelteil des Romans war es mir manchmal schon etwas lang, ich liebe Handlung und habe sie hier mitunter doch vermisst. Doch schon bald nimmt das Buch wieder (wie der Zug) Fahrt auf und am Ende muss ich sagen, was für ein genialer Roman. Wer jetzt neugierig geworden ist, dem kann ich dieses literarische Gusto-Stück nur wärmstens ans Herz legen.

Bewertung vom 01.12.2024
Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2
Tack, Stella

Die dunkle Hochzeit / Ever & After Bd.2


ausgezeichnet

Rain ist nicht nur die Nachfahrin von Schneewittchen, sondern sie hat es auch geschafft, den Prinzen wachzuküssen. Eigentlich hatte sie darauf gar keine Lust – denn wer will schon einen Skelettschädel küssen, den schon unzählige Märchennachfahrinnen an ihrem 18 Jahre Geburtstag versucht haben, ins Leben zurück zu holen. Doch Rain ist das Unmögliche gelungen. Doch statt neuem Glanz kommt mit dem dunklen Prinzen der Weltuntergang einher. Die Welt liegt in Trümmern und Rain befindet sich in der Gewalt des Prinzen, der sich auf dem Carneval des Teufels sein Hauptquartier geschaffen hat. Fieberhaft überlegt sie, zusammen mit ihrem Cousin Avery, der in einen Spatz verwandelt wurde, wie sie nicht nur dem Prinzen entkommen, sondern dabei auch noch die Welt retten kann. Und dann ist da natürlich noch Cole, der das gute Abbild des Prinzen ist, von ihm aber wieder in die Welt hinter den Spiegeln verband wurde, und in den sich Rain verliebt hat.

Klingt nach einer komplizierten Handlung? Nein, eigentlich nicht. Immerhin reden wir hier vom zweiten Band „Die dunkle Hochzeit“ der Triologie „Ever & After“ der deutschen Autorin Stella Tack. Wer bereits den ersten Band gelesen und sehnsüchtig auf die Fortsetzung gewartet hat, ist schnell drin in der Handlung und wird das Buch kaum noch aus den Händen legen können. Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, dem sei dieser auf jeden Fall im Vorfeld ans Herz gelegt. So versteht man vor allem die Geschichte zwischen Rain und Cole besser, der im zweiten Band lange nur eine untergeordnete Rolle spielt, da er einfach von der Bildfläche verschwunden ist. Dafür lernen wir den dunklen Prinzen besser kennen. Der zweite Band besticht auf über 700 Seiten durch eine gut durchdachte Handlung, die tatsächlich ganz ohne unnötige Längen auskommt. Auch das es nun doch einen dritten Band geben wird, stört mich nicht im geringsten, weil das Buch sich absolut super und spannend lesen lässt. Beeindruckend finde ich bei Stella Tack, dass die Handlung in weiten Teilen grausam, düster und auch echt brutal ist, sie dem Ganzen – vor allem durch Rain und die anderen „guten Figuren“ – aber dennoch eine noch vertretbare Leichtigkeit gibt. Kurzum: ein kurzweiliges, spannendes Lesevergnügen zum einfach Abtauchen in eine andere Welt.

Bewertung vom 05.11.2024
Als wir im Schnee Blumen pflückten
Harnesk, Tina

Als wir im Schnee Blumen pflückten


ausgezeichnet

Máriddja und ihr Mann Biera haben ihr ganzes Leben miteinander verbracht. Jetzt sind beide im Herbst ihres Lebens angekommen und Biera versinkt zunehmend im Vergessen, während Máriddja eine Krebsdiagnose erhält. Sie wird sterben, aber noch ist es nicht soweit und sie ist fest entschlossen, ihr Leben bis dahin noch ein wenig zu genießen und Biera zu beschützen. Immer wieder gehen ihre Gedanken nun auch in die Vergangenheit. Das Ehepaar, das in einem kleinen abgelegenen Dorf lebt, wurde zeitlebens nicht mit Kindern beschenkt, obwohl sie sich nichts sehnlichster wünschten. Doch eine Zeit lang lebte ihr Neffe, als Baby und Kleinkind bei ihnen und erhellte ihre Welt. Doch dann wurde er ihnen wieder entrissen und der Schmerz über diesen Verlust hat sie tief geprägt.
Kaj und Mimmi sind ein junges Pärchen, dass der Stadt den Rücken zuwendet und in einem kleinen schwedischen Dorf mitten in der Natur ein Haus gekauft haben. Langsam kommen die beiden in der neuen Umgebung an und lernen die Menschen des Ortes kennen. Dabei wird Kaj auf sanfte Weise Schritt für Schritt in seine früheste Kindheit zurück entführt.

„Als wir im Schnee Blumen pflückten“ ist ein leichter und dennoch berührender Roman von Tina Harnesk. Die Handlung verläuft in zwei Strängen. Da sind einmal die Kapitel, die die etwas schrullige und liebenswerte Máriddja in den Vordergrund rücken und dann jene, in denen das Leben von Kaj und seiner Mimmi im Fokus stehen. Dabei bleibt lange Zeit unklar, in welchem zeitlichen Verhältnis beide Handlungsstränge zueinander stehen, was eine ganz eigene Spannung erzeugt und mich immer wieder hat weiter lesen lassen. Die Kapitel haben eine sehr angenehme Länge und die einzelnen Charaktere sind sehr gut herausgearbeitet. Vor allem in Kaj konnte ich mich gut hineinfühlen, bei Márddja hatte ich mitunter etwas Schwierigkeiten, auch weil manche Dinge lange Zeit nicht wirklich benannt werden und ihre Handlungen mitunter für mich als Leserin keinen Sinn ergeben haben. Die Unterhaltungen von Márddja mit der netten jungen Telefonistin „Siré“ – womit natürlich Siri von Apple gemeint ist, sind an sich gut erheiternd, treffen aber nicht so ganz meinen Humor, da es doch etwas konstruiert wirkte. Da diese Stellen, aber nicht soviel Raum im Platz einnehmen, fällt es nicht ganz so stark ins Gewicht. Ansonsten legt Harnesk hier einen wunderbaren Roman für lange Winterabend vor.

Bewertung vom 27.08.2024
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Sie ist schön, hat zwei gesunde Kinder, ein Haus im Vorort der Stadt und einen Mann, der sie liebt. Alles ist perfekt. Doch nur scheinbar. Denn sie ist verliebt – in ihren Mann. Bereits seit 15 Jahres sind sie verheiratet, doch für sie ist es noch immer so, wie am ersten Tag. Wenn er nicht da ist, vermisst sie ihn, wenn er nach Hause kommt, muss alles für ihn perfekt sein. Sie inszeniert sich und ihre Beziehung, möchte am liebsten nur für ihn leben. Doch was ist, wenn er sie einfach verlassen würde? Wenn er sie gar nicht so sehr liebt, wie sie ihn liebt? Sie achtet auf jedes Zeichen von ihm, alles wird protokolliert und auf die Goldwaage gelegt. Ihr Liebesleben scheint auf Tanz auf Messers Schneide zu sein, es fehlt nicht viel, dann fällt sie.

„Mein Mann“ von Maud Ventura ist ein Roman, wie man ihn nicht alle Tage liest. Wir erleben im Buch eine Woche aus Sicht der Protagonistin – wie sie heißt, erfahren wir nicht. Auch wie ihr Mann heißt nicht – denn er ist ihr Mann: „Mein Mann hat keinen Vornamen, er ist mein Mann, er gehört mir.“ Die Handlung ist dennoch logisch aufgebaut und doch kommen einem beim Lesen Zweifel. Im Grunde würde man von der Ehefrau sagen, dass sie ein arges Problem hat. Und immer häufiger zwang sich mir der Gedanke auf, ob sie ihren Mann wirklich liebt. Denn ist diese Form der Kontrolle, des Beobachtens, dieses Argwöhnische wirklich Liebe? Oder ist sie nur von dem Gedanken der Liebe fasziniert? Ihre Handlungen sind mitunter schwer nachzuvollziehen, mitunter schüttelt man den Kopf oder stößt ein ungläubiges Lachen aus. Lesen lässt sich der Roman sehr gut, er hat mich auf seine ganz eigene Art gefangen genommen, es war doch ein besonderes Lesevergnügen, dass ich so schnell nicht vergessen werde.

Bewertung vom 28.07.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Eilish führt ein geregeltes Leben. Sie ist leitende Angestellte bei einem Dubliner Unternehmen, ihr Mann Larry arbeitet in führender Position für die Lehrergewerkschaft von Irland. Sie haben ein schönes Haus und vier gesunde Kinder. Doch eines Abends tritt die Dunkelheit über ihre Türschwelle. In Irland ist eine Notverordnung in Kraft und die Regierung hat eine neue Geheimpolizei gegründet. Zwei Beamte wollen mit Eilish Mann Larry sprechen, doch dieser ist nicht zu Hause. Wenige Tage später geht Larry zu einer von ihm organisierten großen Demonstration der Lehrergewerkschaft und kommt nicht mehr nach Hause. Keiner weiß wo er ist, kein Anwalt darf mit ihm sprechen. So wie Eilish geht es auch anderen. Menschen werden verhaftet und die Verzweiflung greift in die Eingeweide. Die politische und gesellschaftliche Lage spitzt sich immer mehr zu und es geschehen Dinge, die noch vor kurzem unfassbar gewesen wären. Eilish bemüht sich derweil um einen geregelten Alltag, vor allem muss sie ihre vier Kinder (vom Baby über zwei Teenager bis hin zum jungen Erwachsenen) schützen und sich noch dazu um ihren immer dementeren Vater kümmern. Die Katastrophe rückt unaufhaltsam näher.

„Das Lied des Propheten“ von Paul Lynch hat im Jahr 2023 den Booker Prize gewonnen – und ja es ist ein Roman, der eine Bühne braucht, weil er so wichtig ist, weil er uns in unseren Grundfesten erschüttert und mit einer düsteren Vorahnung zurücklässt. Ich möchte nicht zu viel über den Inhalt schreiben, weil man dieses Buch wirklich selbst gelesen haben muss. Einmal angefangen, konnte ich mit dem Roman nicht mehr aufhören. Immer tiefer wurde ich in den Strudel der Ereignisse gezogen, die dabei nicht konstruiert oder provoziert wirkten, sondern logisch in ihrer Konsequenz. Immer mal wieder wollte ich Eilish anschreien, ihr sagen: Mach doch was! Warum wartest du so lange?! Aber die Beweggründe für ihr Handeln sind ebenso logisch und nachvollziehbar, auch wenn man vielleicht an ihrer Stelle doch anders entschieden hätte. Doch wie lange ist man blind für gewisse Dinge, wie lange sagt man sich: Es wird schon wieder, alles nicht so schlimm. Irgendwie kommen wir schon durch. Getragen wird der Roman dabei nicht nur von der Handlung, sondern vor allem auch von Lynchs Schreibstil, der besonders ist und der dazu führt, dass einen das Geschehen noch mehr in seinen Bann zieht und atemloser macht. Es ist ein grandioser Roman, der seines gleichen sucht und der so wichtig ist. Unbedingt Lesen!

Bewertung vom 01.06.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


ausgezeichnet

Auf der Schwelle zum 20. Jahrhundert befindet sich die Transsibirien-Kompanie auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Denn nur sie vermag es, mit ihrem Zug durch das geheimnisvolle und gefährliche Ödland zu fahren. Das Ödland erstreckt sich zwischen China und Moskau, die Natur hat auf tausenden Kilometern die Herrschaft übernommen, ist mutiert und hat den Mensch verdrängt. Die Menschheit hat zwei hohe Mauern als Bollwerk gegen diese ausufernde Natur gebaut und nur der Zug verbindet auf kürzester Strecke die beiden Enden. Das Ödland bedeutet Wagemut, Neugier und Faszination. Die einen nutzen den Zug aus Notwendigkeit, andere, um sich etwas zu beweisen, andere sind Teil der Crew, die jedes Mal wieder die Gefahren der Durchquerung auf sich nimmt. Doch bei der letzten Fahrt ist etwas passiert und keiner kann sich erinnern. Der Zug und seine Crew haben sich verändert, es ist nicht greif- aber spürbar. Vieles ist anders und es stellt sich die Frage: Was wird passieren auf dieser neuerlichen Überquerung durch eine Natur, die sich so rasch verändert, dass man seinen eigenen Augen nicht trauen kann?

Bücher mit ausufernden Titel hatte ich noch nie gemocht, da ich hier bereits schlechte Erfahrungen sammeln konnte. Hier hatte mich aber der Klappentext derart überzeugt und neugierig gemacht, dass ich doch zum Buch gegriffen habe. Und „Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland“ hat mich nicht enttäuscht. Der Titel, den Sarah Brooks ihre Debüt verliehen hat, macht auch wirklich Sinn, da dies der Titel eines Buches ist, der im Roman selbst eine wichtige Rolle spielt. Es ist sozusagen der Ausgangspunkt. Ich wusste nicht so recht, was mich eigentlich im Roman erwartet, doch ich bin eingestiegen in den Ödlandzug und konnte das Buch nur sehr schwer aus der Hand nehmen. Die Spannung und die Andeutungen bauen sich nach und nach auf, ich fühlte mich vor allem in der ersten Buchhälfte an Jeff Van Der Mees „Auslöschung“ erinnert. Atmosphärisch dicht, nicht ganz greifbar, lauernd. Die Kapitel haben genau die richtige Länge und oft dachte ich mir … eines geht schon noch. Die Handlung wird von verschiedenen Personen aus wahr genommen, die alle ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Gepäck mitbringen, alle haben verschiedene Motivationen für diese besondere Reise. Da ist etwa Maria, die unbedingt herausfinden will, was bei der letzten Durchquerung passiert ist, dann Henry Grey, ein in Ungnade gefallener Wissenschaftler, der auf seine Wiederherstellung hofft und dann noch Weiwei, das Zugkind. Geboren und aufgewachsen im Zug hat sie ein ganz besonderes Verhältnis zum Ödland. Es ist faszinierend, wie sehr die Natur in diesem Roman immer mehr in den Fokus rückt und immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hat dieser Roman eine Botschaft? Unbedingt? Geht es dabei um die Umweltsünden der Menschen, wie es mancherorts angedeutet wird? Aus meiner Sicht definitiv nicht. Dieses Buch ist ein Erlebnis, ein Roman, der auf seine ganz eigene Art um Verständnis zwischen Mensch und Natur wirbt. Ein Roman, den man sich nicht entgehen lassen sollte und der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Bewertung vom 14.04.2024
Steirisches Weinland
Moser, Martin

Steirisches Weinland


ausgezeichnet

Manche Menschen sind ihr Leben lang auf der Suche danach, andere haben es bereits gefunden: Dasjenige Urlaubsgebiet, in dem man sich einfach wie zu Hause fühlt. Für uns ist es die Südsteiermark. Oft haben wir schon die Fahrt bis fast an die slowenische Grenze unternommen, um inmitten der Weinberge herrliche Tage zu verbringen. Diese besondere Mischung aus Natur, Weinbergen, genussvollem Essen in den Buschenschänken (kleine Lokale, die oft hausgemacht Weine und ausschließlich kalte Speisen anbieten) und der Herzlichkeit der Menschen ist es, die diese Gegend zu einer ganz besonderen machen. Auch Martin Moser hat sich in diese Region verliebt und mit dem Rother Wanderführer „Steirische Weinberge“ nun ein Buch vorgelegt, dass auf 55 Touren die Region intensiv erlebbar macht.

Moser hat das Steirische Weinland dabei in die drei Regionen Schilcherland, Südsteiermark und Vulkanland aufgeteilt. Jedes der Gebiete hält etwa gleich viele Touren bereit, die Streckenlänge liegt je zwischen knappen zwei bis etwa vier Stunden. Natürlich gibt es auch längere Touren über fünf bis sechs Stunden. Da man aber im Weinland immer auch ausreichend Zeit für eine Einkehr einplanen sollte, sind die überwiegenden Streckenlängen klug gewählt, den hier haben wir wirklich eine Genussregion, die man mit allen Sinnen genießen sollte. Die Schwierigkeiten führen von 35 leichten über 19 mittelschwere zu einer schweren Route und halten alle Facetten bereit. Da gibt es etwa die Wanderung, die bei Deutschlandsberg durch die Klause und hinauf zur Burg führt (wer diese einmal gegangen ist, ist schockverliebt und will sie immer wieder gehen.) Dann eine andere, die den Wanderer zur Strutz Mühle führt, die natürlich auch besichtigt werden kann und die aus meiner Sicht eine der schönsten Plätze im Weinland ist. Auch die Tour auf den Großen Speikkogel gehört zu den Klassikern und führt einen in eine ganz andere Natur. Kurzum, dieses Buch hält alles bereit, um einen das Steierische Weinland näher zu bringen.
Die Touren sind mit absolutem Sachverstand ausgesucht und die enthaltenen Bilder vermitteln einen sehr guten Eindruck, was einen erwartet. Natürlich fehlen auch hier die kleinen Kartenausschnitte und Höhen-Zeit-Diagramme nicht. Aus meiner Sicht, ist es jedoch absolut empfehlenswert, sich mit einer zusätzlichen Karte (egal ob digital oder aus Papier) auszustatten, denn so ist man immer auf der sicheren Seite. Die Kurzinfos gegeben wie gewohnt die wichtigsten Hinweise zur Tour, etwa zu Ausgangspunkt, Anforderungen, Einkehr und evtl. möglichen Varianten. Sofern eine Anreise mit dem ÖPNV möglich ist, so wird auch hierauf eingegangen. Die Tourenbeschreibungen sind sehr gut und enthalten alle relevanten Punkte. Immer wieder weist der Autor auf Sehenswertes hin und lenkt so gezielt den Blick des Wanderers. Hinweisen möchte ich noch auf die Möglichkeit, sich die GPS-Tracks der einzelnen Touren herunterzuladen. Diese kann man dann entweder direkt in die Rother App importieren, aber auch in andere Trackingprogramme ist eine Übernahme möglich. Wir haben damit bisher sehr gute Erfahrungen gemacht. Also … mit diesem Wanderführer im Gepäck steht einem erholsamen und sehenswerten Urlaub im Steierischen Weinland nichts mehr im Wege!

Bewertung vom 01.04.2024
Sächsische Wanderberge - Die schönsten Touren
Röger, Ingo

Sächsische Wanderberge - Die schönsten Touren


ausgezeichnet

Die eigene Heimat per Pedes entdecken, über den Tellerrand schauen und auch die angrenzenden Regionen erkunden. Neues erleben und gemeinsam mit Freunden und Familie Erinnerungen schaffen. Wer das Wandern für sich entdeckt hat, der wird es nie mehr lassen können. Denn es ist die reine Freude, in der Natur unterwegs zu sein und so wertvolle Kraft für unseren Alltag zu tanken. Bei uns mittlerweile immer mit dabei sind die Wanderbücher von Rother. Natürlich kann man sich auch eigene Touren ausdenken, aber warum, wenn sich schon jemand wirklich Gedanken über richtig schöne Wanderrouten gemacht hat?

Druckfrisch auf dem Büchermarkt ist der Wanderführer „Die schönsten Touren – Sächsische Wanderberge“ von Ingo Röger. Auf insgesamt 65 Touren kann man die Gipfel unserer Heimat erkunden. Der Schwerpunkt liegt hierbei natürlich auf der Sächsischen Schweiz, dem Zittauer Gebirge und der Lausitzer Bergwelt. Wer selbst schon einmal dort war, wird dies nachvollziehen können. Hier locken zahlreiche Gipfel und einzigartige Naturlandschaften. Aber auch das Vogtland und Erzgebirge haben einiges zu bieten. Weitere zehn Tourenvorschläge führen sodann nach Nord- und Mittelsachsen. Was mir beim ersten Blick in das Buch gleich aufgefallen ist, ist die gute Durchmischung der Streckenlängen. So gibt es natürlich zahlreiche Wanderungen mit einer reinen Gehdauer von drei bis vier Stunden, daneben finden sich jedoch auch etliche, die man in rund zwei Stunden absolvieren kann. Ideal also, wenn man einmal nicht so viel Zeit hat oder die Tourbegleiter konditionell ihre Schwächen haben.
Die Mehrzahl der Touren ist im mittelschweren Bereich angesiedelt, was sich natürlich schon daraus ergibt, dass man hier Gipfelziele anvisiert, doch auch drei schwere und 17 leichte Touren lassen sich quer über das gesamte abgebildete Gebiet finden. Sehr schön ist zudem, dass die vom Autor hervorgehobenen Top-Wanderungen zum einen alle Schwierigkeitsgrade bedienen und zum anderen sich ebenfalls in jedem Gebiet finden lassen. Für das Vogtland, meine Heimat, hat Röger die Runde zum Eisenberg an der Talsperre Pöhl als Top-Tour ausgezeichnet. Die Tour ist uns in ähnlicher Ausführung bekannt und ja, sie ist definitiv eine der schönsten im Vogtland!

Für die vergangenen Osterfeiertage waren wir natürlich auch auf der Suche nach einer guten Runde in der Nähe. Warum nicht gleich den neuen Wanderführer testen? Und so nahmen wir die Tour zu den Greifensteinen mit einer Länge von 14,6 km (Gehzeit: 4 Stunden) unter die Wanderschuhe. Mein Mann hat sich dabei im Vorfeld (tatsächlich zum ersten Mal) die GPS-Daten der Tour, die zu jedem Rother Wanderbuch gratis erhältlich sind, herunter geladen und in Outdoor-Active gespeichert. Es hat super geklappt und die Navigation war so im Großen und Ganzen überhaupt kein Problem. Das Buch hatten wir natürlich trotzdem noch mit. Durch die Kurzinfos zu Ausgangspunkt, Anforderungen, Karte, Einkehr und Tipp waren wir bestens vorbereitet. Und was sollen wir sagen? Die Tour war einfach großartig! Sehr schöne Wegführung vor allem durch wunderschöne Wälder, oft war auch ein kleiner Bach oder dergleichen zu finden. Herrliche Ausblicke von den Greifensteinen aus und eindrucksvolle Einblicke in die Binge in Geyer. Die Wegbeschreibung, die wir trotz der GPS-Daten hin und wieder nutzten, waren sehr gut. Auch wenn die Wegführung etwas kniffelig war, wusste man sofort, wo man langgehen musste. Durch die Übersichtskarte und das gewohnte Höhen-Zeit-Diagramm konnte man sich auf der Tour zusätzlich gut verorten. Mit einigen Pausen waren wir am Ende gut sechs Stunden unterwegs gewesen, aber unsere digitalen Endgeräte vermeldeten tatsächlich eine reine Gehzeit von annährend vier Stunden. Damit ist also absolut Verlass auf die gemachten Angaben und wir freuen uns schon auf die nächsten Gipfeltouren!

Bewertung vom 29.03.2024
Sommerhaus am See
Poissant, David James

Sommerhaus am See


ausgezeichnet

Jeden Sommer treffen sich die Familienmitglieder der Starlings am Lake Christopher in North Carolina. Lisa und Richard, die ihr Leben der Wissenschaft gewidmet und viel erreicht haben, hatten sich hier in ihren jungen Jahren einen Trailer gekauft und diesen zu einem Häuschen umbauen lassen. Der Ort ist voller Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse. Doch Lisa möchte das Haus verkaufen und in ihrem Alter nochmal einen gewissen Neuanfang wagen. Statt am Lake Christopher ihren Lebensabend zu verbringen, will sie gemeinsam mit Richard nach Florida. Als ihre erwachsenen Kinder, Michael und Thad davon erfahren, sind sie geschockt. Sie können nicht verstehen, dass die Eltern, diesen wunderschönen Platz aufgeben möchten. Und so verbringen die Starlings und ihre Partner, Diane – die Ehefrau von Michael, und Jake – Thads Freund ein letztes Wochenende am See. Doch schon am ersten Tag passiert ein Unglück. Vor ihrer aller Augen ertrinkt ein Kind. Sie wollen helfen, doch es gelingt ihnen nicht. Und wie dieses Unglück über die Familie hereinbricht, kommen an diesem Wochenende auch immer mehr Geheimnisse zutage. Es ist ein Wochenende, dass alle für immer verändern wird.

Ich war mir ein bisschen unsicher mit diesem Roman. Familienromane, bei denen Geheimnisse zutage treten, haben oft den Hang, übertrieben zu sein und am Ende alles zu zerstören. Doch so ist dieser Roman von David James Poissant überhaupt nicht. Das Buch bietet auf 380 Seiten eine richtig gute Geschichte, von der man sich nur schwer lösen kann. Die Kapitel nehmen uns immer abwechselnd in die Innensicht eines anderen Protagonisten mit. Dabei fand ich es sehr schön, dass wir als Leser auch Jake und Diana so besser kennenlernen durften. Jeder der beteiligten Personen hat sein Päckchen zu tragen, hat seine Probleme und Schwierigkeiten in der Beziehung, auf Arbeit und mit sich selbst. Es sind keine übertriebenen Probleme, auf mich hat es einen echten, authentischen Eindruck gemacht. Auch die Entwicklung der Handlung war absolut nachvollziehbar. Eltern und Kinder sind sich über die Jahre fremd geworden, aber das Element, dass alle Handlungsstränge verbindet ist die Liebe. Die Liebe zwischen Ehepartnern, die schon ihr ganzes Leben gemeinsam verbracht haben, die Widrigkeiten getrotzt und Verletzung erlebt haben. Die Liebe von Eltern zu ihren Kindern. Diese bedingungsloste Form der Liebe, auch wenn uns die eigenen Kinder oft enttäuschen und wir uns für sie ein anderes, besseres Leben vorgestellt haben. Die Liebe zwischen Ehepartnern, die ihre ersten großen Herausforderungen meistern müssen und die Liebe zwischen zwei Partnern, bei denen beide eine andere Vorstellung von der Beziehung haben und natürlich die Liebe zwischen Geschwistern. „Sommerhaus am See“ ist ein fantastischer Roman über Familie, Liebe und Verzeihen. Ja, das sind die großen Themen, aber sie werden hier so gut umgesetzt, dass dieser Roman noch lange nach dem Lesen in einem nachhallt.

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