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Benutzername: 
Emmmbeee
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 15 Bewertungen
12
Bewertung vom 24.07.2025
Lilianas unvergänglicher Sommer
Rivera Garza, Cristina

Lilianas unvergänglicher Sommer


sehr gut

Mord aus männlicher Eitelkeit

Nach und nach entrollt sich das Leben einer jungen, modernen, unbeschwert lebenden Frau. Sie studiert, trennt sich von ihrem Freund und wird dafür von ihm ermordet. Doch dafür wird er nie verurteilt, denn die Tat wird, obwohl es kaum Zweifel daran gibt, als Suizid deklariert. Er selbst lebt unbelastet fort. Fast 30 Jahre später kehrt Lilianas Schwester, eben die Autorin Cristina Rivera Garza, nach Mexiko zurück und fordert Gerechtigkeit. Doch diese ist beinahe unmöglich zu erhalten, denn die Bürokratie und das Patriarchat insgesamt behindern alle Bemühungen. Denn eine „Tat aus Liebe“, wenn es denn schon eine solche gewesen sein mag, wird nachsichtig beurteilt.
Und das ist das wahre Grauen einer solchen Tat, dass Männer beinahe ermutigt werden, sie ungestraft zu wiederholen. Und dass Frauen sich nirgends auf der Welt sicher fühlen können. Denn auch heute noch grassiert der Femizid, in den letzten Jahren gerade zum Beispiel in Österreich. Man spürt besonders in dieser Hinsicht, dass in Ländern wie Mexiko hauptsächlich die Männer bei der Justiz vorne dran und bestrebt sind, auf ihr eigenes Geschlecht möglichst wenig Schatten fallen zu lassen. Das muss einmal gesagt und geschrieben werden.
Das Cover führt den Betrachter in die Irre, denn wer man glaubt, einen leichten Sommerroman in Händen zu halten, täuscht sich gewaltig. Es ist harte Kost, über das zu lesen, was einem eigentlich leider nichts Neues mehr ist, das man aber aus seinem Alltag gern verdrängt.
Auch das Schriftbild macht einem die Lektüre nicht gerade leicht. Für meinen Seniorenbegriff eher klein und dicht gedruckt, sind die Absätze teils sehr lang. Streckenweise musste ich mich regelrecht durchkämpfen. Auch das kursiv Gedruckte war mühsam zu lesen. Hingegen lockerten Fotos und andere Bilder das Ganze auf. Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Aussagen verschiedener Personen geben der Person Liliana zusätzlich zu den Schilderungen durch ihre Schwester Cristina noch mehr Tiefe und Deutlichkeit, auch was über den (offensichtlichen) Mörder gesagt wird. Dass der auch noch Angel, Engel, heißt, mag wie ein Hohn erscheinen.
Aus verletzter Eitelkeit, eben wegen einer Zurückweisung, wurde Angel zum „Todesengel“ und das auch noch, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden – denn das nicht grauenhast ist! Müssen Frauen sich denn immer noch den Wünschen der Männer fügen? Ein Buch, das man nicht einfach verschlingen kann, sondern in kleineren Häppchen langsam sacken lassen sollte. So kann auch weniger übersehen oder -lesen werden.

Bewertung vom 02.07.2025
Furye
Rubik, Kat Eryn

Furye


sehr gut

Trotz allem hoffnungsvoll

Drei Mädchen, die sich in der gemeinsam besuchten Schulklasse finden und zu Freundinnen werden. Jede von ihnen hat ihre Schwierigkeiten zu tragen, doch gemeinsam fühlen sie sich unbesiegbar. Als das Leben an Härte zunimmt, werden sie zu Furien, planen Selbstjustiz, rächen, töten. Ja, auch das. Doch der Roman endet versöhnlich und voller Hoffnung, zumindest für die einzige der drei Furien, die wirklich im Leben angekommen ist und ausschöpfen kann, was es ihr bietet.
Viele von uns dürften sich in ihnen erkennen, und besonders gegen Schluss ist es eine sehr bewegende Geschichte. Doch trotzdem hätte ich Alec manchmal am liebsten daran gehindert, das zu tun, was in der Folge geschah. Sehr viel Schmerz für so junge Leute, Verwirrung, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Zerrissenheit, Gewissensbisse (deshalb auch „Furien“ gemäß der griechischen Mythologie).
Die Autorin kehrt in ihren Erinnerungen immer wieder zurück in die Jugend, die Anfangsjahre der Protagonistinnen. Damit der Leser das besser nachvollziehen kann, ändert sie bei den Rückblicken die Schrift, aber da muss man schon genau hinsehen. Ich fand diesen Kniff jedenfalls gekonnt und raffiniert.
Mir gefällt der stimmige Sprachstil, der auf das jeweilige Alter der Erzählerin Alec eingeht und mal erwachsener, mal jugendlicher klingt. Die Umschlaggestaltung ist eine Wohltat fürs Auge, gerade während der jetzigen Hitzewelle. Er täuscht eine Ferienstimmung am kühlen Pool vor, aber Achtung: Der Roman ist KEINE leichte Sommerlektüre. Er geht ordentlich unter die Haut.

Bewertung vom 15.06.2025
Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen (eBook, ePUB)


sehr gut

Verlustreiche Geschichte

Ein hartes Leben führen die Familien der Hummerfischer auf der Insel, welche jedes Jahr im Sommer zahlreiche Touristen anzieht. So auch die von Christopher und Mina. Beide haben sich mit Inselkindern angefreundet, die mit den Jahren mehr als nur Freunde geworden sind. Doch das Schicksal schlägt gnadenlos zu, auch bei den Feriengästen.
Jahre später wird Mina wie Strandgut ans Ufer gespült und wieder in den Inselalltag eingegliedert, besonders von der alten Hummerfischerin Ann und ihrer jüngeren Freundin Julie. Da ist auch wieder Sam, ihr Vertrauter aus Kindertagen.
Diese drei Generationen von Frauen leben vom Fischen, sie kennen die Härte von Klima und Meer, und jede hat tiefgreifende Verluste zu verschmerzen. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen. Denn nicht sonniges Wetter, sondern schwere Stürme haben sie stark gemacht. Und so bewältigen sie auch gemeinsam, was im Lauf der Jahre noch daherkommt. Großartige Frauen, diese drei!
Nach und nach treten Geschehnisse ans Licht, die auch noch zu verkraften sind. Es geht ebenfalls um Neuanfänge, ob beruflich, partnerschaftlich oder was die örtliche Zugehörigkeit betrifft.
Mir hat der frische Erzählstil sehr gefallen, auch der Humor dieser schlagfertigen Frauen, die sich in der herkömmlichen Welt einer bisherigen Männerdomäne zu behaupten wissen. Spannend von A bis Z hat mich dieser Roman kaum zur Ruhe kommen lassen. Das ist kein leichter Sommerroman, um mal so an den Strand mitgenommen zu werden. Er beleuchtet auch die meist schwierige Situation zwischen Menschen, die sich nicht so leicht anderen Leuten öffnen können, auch die zwischen Müttern und Töchtern, welche sich nur schwer nähern können.
Ausgezeichnet gefiel mir die äußerliche Gestaltung des Buches. Während auf dem Schutzumschlag ein rötlicher, also gekochter Hummer abgebildet ist, schmückt auf dem Hardcover ein blauer, lebender den glatten weißen Grund. Blau ist ja auch das „Haustier“ im Aquarium, Mr. Darcy, ein Hummer, der offensichtlich freiwillig bei Ann lebt. Ein wunderbarer Roman!

Bewertung vom 07.06.2025
Sputnik
Berkel, Christian

Sputnik


gut

Wer ist er eigentlich?

Angefangen von den ersten Tagen im Mutterleib über die Geburt, die früheste Zeit der Kindheit, die ersten Jahre im Leben eines Mannes, all das schildert Christian Berkel in seinem neuesten Roman „Sputnik“. Dabei geht er ausführlich auf die einzelnen Stationen ein, teils wohl aus eigener Erfahrung, teils fiktiv. Denn wie ein Fötus oder Embryo sein Dasein wahrnimmt, weiß keiner von uns mehr.
Der Erzähler beschreibt, wie er (nach seiner Kindheit in Deutschland) in Frankreich studiert, den ersten Unterricht für eine mögliche Schauspielkarriere erhält und vor allem seine über ihn hereinbrechenden sexuellen Nöte und Verwirrungen. Dabei hat der Protagonist mir fast schon leidgetan. Immer auf der Suche nach sich selbst, zumal seit seiner Geburt nicht wirklich klar ist, ob er denn nun wirklich der Sohn seiner Eltern ist. Auch auf der Bühne bleibt es eine Suche nach der eigenen Persönlichkeit. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Nach der Lektüre von „Apfelbaum“ und „Ada“ hegte ich große Erwartungen an den Autor, denn diese beiden Bücher hatte ich mit Begeisterung gelesen. Bei „Sputnik“ wurde ich damit aber von Anfang an stark eingebremst. Mir scheint das Werk über viele Seiten hinweg zu langatmig, sodass ich angefangen habe, quer zu lesen. Der Roman hat entschieden weniger Drive und Spannung als die bisherigen Bücher von Christian Berkel. Sein Stil ist flüssig, doch habe ich mehr Stromschnellen erwartet.
Doch mir gefällt die gepflegte Sprache des Autors sehr. Auch das Coverbild ist sehr passend ausgesucht. Das Gesicht des jungen Mannes spiegelt viel von dem, was der jugendliche „Held“ durchlebt: große Unsicherheit und die Absicht, es der Gesellschaft um ihn herum recht zu machen. Und auch die Frage, die er sich schon als Kleinkind stellen musste: Wer oder was bin ich überhaupt? Tatsächlich das Kind meiner Eltern? Jude oder nicht?
Mir gefiel auch folgender Kunstgriff: Mit einer Übung vor den angesetzten Theaterproben führt er den Leser wieder zum ersten Kapitel zurück. Nur der Sinn der allerletzten Zeile hat sich mir nicht erschlossen.

Bewertung vom 07.06.2025
Teddy
Dunlay, Emily

Teddy


ausgezeichnet

Ein sensationeller Erstling

Teddy heiratet einen Mann im diplomatischen Dienst und folgt ihm nach Rom. Eine neue Welt, zu der sie gehören, eine respektierte Frau sein, die Erfüllung in Ehe und Kindern finden möchte. Es scheint so zu kommen, bis zuerst die Vergangenheit, dann die Gegenwart sie in die Verzweiflung treibt.
Da war auch die schillernde Tante Sister, der die Familie sehr schlimm zugesetzt hatte, weil sie nicht dem sorgfältig gepflegten Image der Familie entsprochen hatte, die jedoch nicht gestorben ist, sondern vom Clan zum Verschwinden gebracht wurde. Da ist ein Hochglanzdasein der Reichen und Mächtigen mit spiegelglatter Oberfläche, das keineswegs befleckt werden darf. Schließlich geht es auch um eine erfolgreiche Kandidatur für ein hohes politisches Amt.
Teils überlief es mich kalt, einerseits, weil es in der Ich-Form geschrieben ist. Ich konnte mir aber auch sehr gut vorstellen, wie alles geschehen konnte, selbst wenn ich nie in einer ähnlichen Situation gewesen bin. Einem Bild entsprechen müssen und wollen, welches die Familie von sich und damit auch von Teddy hatte, es immer allen recht machen, damit man dazu gehört, geachtet und gesehen wird. Und vor allem, dass ihr Mann David sie für würdig hält, Mutter zu werden. Das ist mehr, als die verwöhnte Mittdreißigerin bewältigen kann.
Das treibt sie zu Verzweiflungstaten, aber auch zur Überzeugung, niemals aufzugeben. Teddy weiß ja schon ihr ganzes Leben lang, dass sie sich stets anpassen muss. Und doch will sie eines noch viel mehr: endlich leben. Und damit reitet sie sich geradewegs in ein großes Schlamassel.
Den Rahmen bilden die Ermittler, denen sie den ganzen Ablauf erklären sollte. Das bedingt, dass in Zeitsprüngen bis zurück zu ihrer Jugend in Amerika erzählt wird, und damit werden die Hintergründe zu Teddies Entscheidungen erläutert. Allerdings: Auf den allerletzten Seiten tauchen Personen auf (zum Beispiel Anna), von der ich nicht mehr wusste, wer sie ist. Da wäre es hilfreich gewesen, sie im Lauf der Zeitreise mit kurzen Bemerkungen gelegentlich wieder aufleben zu lassen.
Der Roman ist ungeheuer spannend, gleichzeitig eine psychologische Studie, sowohl genau durchdacht als auch recherchiert. Wenn ich gegen Ende zwischendurch das Buch aus der Hand gelegt habe, fand ich nur schwer aus der Stimmung, welche Teddy und auch mich bedrückte und den Sorgen, welche sie belasteten. Jetzt hinterher muss ich an Patricia Highsmith denken, welche durch verwandte Themen ihren Erfolg errungen hat. Seit langem war ich von keinem Roman mehr so gefesselt wie von „Teddy“. Die höchste Punkteanzahl vergebe ich selten, aber diesmal mit Überzeugung.
Den Roman würde ich allen empfehlen, die zwar keine Krimis mögen, aber gern Spannung vereint mit sehr guter Literatur genießen möchten.

Bewertung vom 27.05.2025
Pearly Everlasting
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


sehr gut

Pearlys Bären-Bruder Bruno

Etwa zur selben Zeit in den Dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts werden ein Schwarzbär und das Mädchen Pearly Everlasting geboren. Schon früh wird das hilflose Tierjunge gefunden und in die Familie des Kochs in einem Holzfällercamp aufgenommen. Kind und Bär „Bruno“ werden von Pearlys Mutter gestillt und wachsen zusammen auf. Sie sind vertraut und nahe wie Geschwister.
Doch eines Tages wird das Tier geraubt und aus seiner gewohnten Umgebung gerissen. Voll Sorge macht sich Pearly auf, Bruno zurückzuholen. Auf der Suche nach ihm erlebt Pearly eine Menge, was uns staunen lässt, weil wohl kaum jemand von uns Lesern jemals in einer ähnlichen Lage gewesen ist. Ich war beeindruckt vom Verantwortungsbewusstsein, der Tapferkeit, dem Durchhaltevermögen und der Verbundenheit des Kindes mit einem von Natur wilden Tier. Denn erwachsen ist das Mädchen zu diesem Zeitpunkt wohl eher auf geistiger und empathischer Ebene.
Geschildert wird ein Durchkämpfen von Winter, Schnee, Hunger und Kälte. Dabei wird über lange Strecken in der Ich-Form erzählt, und so können wir uns in das Mädchen hineinversetzen. Dann wieder kommt die 3. Person zum Einsatz, etwa dann, wenn von dem jungen Mann Ansell die Rede ist, der nach ihrem Verschwinden aus dem Camp seinerseits Pearly suchen geht. So kann auch diese Seite erläutert werden.
Es ist mir bewusst, dass es eine fiktive Geschichte, ein Roman ist, wenn auch von einer wahren Begebenheit inspiriert. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass es solche Geschehnisse auch in der Realität geben kann. Immer befindet sich der Leser selbst mitten in der Natur, wird in ihre Heilkräfte eingeführt und erlebt die vielen harten Seiten mit.
Die Spannung dieser ungewöhnlichen Handlung hat mich von Anfang an mitgerissen, und ich habe „Pearly Everlasting“ richtiggehend verschlungen. Manchmal fühlte ich mich wie in jenen Welten, die Jack London für uns Leser bereitet. Ich empfehle das Buch jenen, die sowohl Abenteuer in der Wildnis als auch nahegehende Stories mit Tieren und Menschen schätzen.

Bewertung vom 30.04.2025
Bis die Sonne scheint
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


ausgezeichnet

Kein Geld, aber Luxus

Der junge Daniel erlebt, wie es mit seiner Familie finanziell bergab geht. Nicht einmal für seine Konfirmationskleidung und den schulischen Sprachaustausch ist Geld da. Im Gegenteil, er soll seinen Eltern für das billigere Reihenhaus auch noch sein Erspartes vorstrecken. Es wird verjubelt, was das Zeug hält. Die Erwachsenen können einfach nicht mit Geld umgehen. Das I-Tüpfelchen dazu bietet das teuerste Hotel an der Côte d’Azur, wobei die totale Pleite bereits da ist.
Naja, das Negresco hat schon was. Eine wilde Geschichte insgesamt, und ich habe die Vermutung, dass sie in weiten Teilen autobiografisch sein könnte. Aber ich hoffe es nicht, denn der Autor täte mir leid. Mit lockerer Hand geschrieben, voller Spannung, zwischendurch mit Humor, alles aus der Sicht eines Pflichtschülers, dessen Bedürfnisse dauernd unter die Räder kommen.
Der Autor wendet diesmal einen speziellen Kunstgriff an. Immer, wenn französische Vokabeln dem Kapitel vorangestellt werden, beziehen sie sich nicht nur auf den Inhalt des entsprechenden Romanteils, sondern die Gegenwart wird erzählt. Steht zu Beginn des Kapitels jedoch eine fortlaufende Zahl, geht der Erzähler zurück in die Vergangenheit seiner Familie. Das hat mir sehr gefallen. Wie der Autor auf den Romantitel gekommen ist, kann ich mir allerdings nicht recht vorstellen.
Von Christian Schünemann habe ich schon fast alles mit Begeisterung gelesen, auch dieses Buch. Ich empfehle es jedem, der gute Unterhaltung sucht.

Bewertung vom 27.04.2025
Der Sonne entgegen
Teichert, Mina

Der Sonne entgegen


gut

Chaos der Gefühle

Die junge Romy weiß eines mit Sicherheit: dass sie die Erwartungen ihres Verlobten nicht erfüllen kann und auch die ihrer Eltern nicht. Von widerstreitenden Gefühlen überwältigt, flieht sie deshalb und setzt sich geradewegs in das Auto eines Mannes, den sie kurz zuvor erst kennengelernt hat. Dieser Valentin hingegen ist zwar angetan von der hübschen Frau, doch passt es ihm keineswegs in den Kram, sie mitzunehmen. Denn er hat eine schwierige Aufgabe zu erfüllen, von der Romy keine Ahnung hat.
Dennoch begeben sich die beiden auf eine teils abenteuerliche Reise, welche die beiden nach Süditalien führen wird. Eines jedoch haben beide gemeinsam: Sie wollen sich fürs Erste nicht so schnell wieder verlieben. Zwischendurch wird es nicht nur emotional sehr turbulent, und der Spannungsbogen erlebt immer wieder eine neue Zerreißprobe.
Mir hat gefallen, wie rasant und farbig die Story erzählt und wie plastisch geschildert wird, wie bald eine heftige Verliebtheit zwischen Valentin und Romy entsteht. Sehr anziehend auch die Beschreibung der fotografischen Tätigkeit Romys, die Zeichnung der Motive und der Schwierigkeiten von Valentins Auftrag. Und natürlich der Zauber von Neapel, Capri und weiterer Stationen der Reise. Das alles liest sich leicht und süffig. Es war für mich wie ein kleiner Urlaub, und ich habe die Lektüre genossen. Schon das Cover vermittelt einen fröhlichen, südlichen Eindruck von Ferien am Meer.
Allerdings: im letzten Viertel des Romans haben die philosophischen Betrachtungen über die Liebe meine Geduld ziemlich strapaziert, ich fand sie zu langatmig. Da habe ich etliche Passagen quergelesen. Doch ich empfehle das Buch gern weiter für unbeschwerte Lesefreude.

Bewertung vom 23.04.2025
Das Leben fing im Sommer an (eBook, ePUB)
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an (eBook, ePUB)


gut

Ein Romandebut, von Gerüchen durchzogen

Ein 15jähriger Junge, der gern bereits erwachsen wäre, der sich heftig verliebt hat und schließlich vom angehimmelten Mädchen geküsst wird, der Fußballer werden will.
Gleich zu Beginn eine Party, um Schwung in die Story zu bringen. Der Erzähler beschreibt durchgehend jene Gerüche, die um seine Nase streichen. Das hat mir in jedem Kapitel gut gefallen.
Der Roman dürfte autobiografisch sein, immerhin ist der Name des Hauptprotagonisten identisch mit dem des Verfassers. Das Buch vermittelt Sommerfeeling, man wird beim Lesen fast noch einmal jung, weil es einen selbst genauso erging, zumindest was Schüchternheit und Akne betrifft, auch der angesprochene Gruppendruck, dem man früher ebenfalls mehr oder weniger nachgab. Stellenweise war ich mittendrin.
Der Jugendliche namens Chris wird jedoch allzu brav für einen 15Jährigen gezeichnet, auch wenn er nur aus Gründen seiner sportlichen Tätigkeit weder trinken noch rauchen will. Eine Kreuzkette um den Hals, am Abend dankbar beten, immer ausgesucht höflich zu den Erwachsenen, das sieht nach einem Musterknaben aus. Stellenweise knüpft der Autor bemühte Ausdrücke (…hat die Liebe zum Fußball in mir entfacht…) mit hinein, eher unecht in den Gedanken eines Teenies. Die erste Liebe und die diversen Nöte Jugendlicher sind wiederum nachvollziehbar geschildert.
Insgesamt ein ganz nettes Werk von einem schreibbegabten Fußballspieler und Weltmeister, hat mich aber nicht gerade aus den Schuhen gehoben. Die Figuren sind nicht sonderlich plastisch gezeichnet. In der Sprache der Jugendlichen zwischendurch wieder recht authentisch geschrieben.
Doch ich hätte mir mehr Drive, Spannung und Unerwartetes gewünscht, weniger vorhersehbar. So ist es bei leichter Schwimmbadlektüre geblieben. Immerhin ein literarischer Anfang, der auf mehr hoffen lässt.
Für mich ist das Buch leider unter den Erwartungen geblieben. Ich habe mich häufig quergelesen und diese Lektüre nur pflichtgemäß durchgeackert.

Bewertung vom 20.04.2025
Wut und Liebe
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Wieder ein hervorragender Roman

Mit Begeisterung habe ich soeben den neuesten Roman von Martin Suter zu Ende gelesen. Der Inhalt muss nicht eigens skizziert werden, das haben schon genügend Leser vor mir getan.
Zwischen zwei Buchdeckeln befindet sich ein bunter Strauß von verschiedensten Gefühlen der Zuneigung und Liebe, gewürzt mit einer kräftigen Prise Hass und Wut, also insgesamt Leidenschaft pur. Der Titel, Wut und Liebe, könnte kaum passender gewählt sein.
In einer gänzlich unspektakulären Sprache erzählt, liest sich die Geschichte mit entspanntem Genuss, und man kann das Werk auch mal zur Seite legen. Wenn ich selbst es zwar nur gezwungenermaßen getan habe. Denn Suter versteht es, auch ohne Cliffhanger die Spannung von A bis Z aufrecht zu erhalten. Eine Geschichte mit unerwarteten Wendungen und immer neuen Geschehnissen. Und, zugegeben: Manchmal dürfte Martin Suter dem Leser die Augen öffnen. Man blickt in sein eigenes Inneres und überlegt: Wie würde ich selbst handeln?
Ich habe bei meinen Aufzeichnungen nachgesehen: Es ist damit der 25. Roman von Martin Suter, den ich verschlungen habe, und das Lesen seiner Werke bietet nach wie vor beste Unterhaltung. Dass der Autor Schweizer ist, erkennt man sofort, denn mehr als in seinen früheren Büchern, scheint mir, baut er Helvetismen ein. Ausdrücke, die zwar letzten Endes verständlich sind, die man jedoch in Österreich und Deutschland anders oder nicht verwendet. Das soll aber keineswegs eine Kritik sein. Die einzelnen Figuren sind sehr plastisch gezeichnet. Auch der Ablauf des Alltags ist authentisch geschildert, wie er in der Schweiz halt eben abläuft.
Wie meistens beim Diogenes Verlag ziert auch diesmal ein passendes Gemälde den Schutzumschlag. Die Malerin Nickie Zimov hat es offenbar eigens für dieses Buch zur Verfügung gestellt. Das Cover ist unprätentiös, fällt aber auf dem Büchertisch und im Schaufenster sofort ins Auge.
Empfehlen würde ich den Roman jedem, der beste Unterhaltung ebenso wie gute Literatur zu schätzen weiß.

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