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marcialoup

Bewertungen

Insgesamt 145 Bewertungen
Bewertung vom 30.03.2025
Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen
Metz, Alina

Tinte, Staub und Schatten: Das Buch der Verlorenen


sehr gut

Phantastische Bücherwelt

Eine phantastische Reise steht nicht nur Minna, der Protagonistin, bevor, als sie in das Bücherlabyrinth eindringt, sondern auch allen Leser/innen dieses mit wunderschönem Cover geschmückten Buch Tinte, Staub und Schatten!

Das Mädchen Minna geht auf die Suche nach ihrer Mutter, die aus unbekannten Gründen im Bücherlabyrinth als Büchersucherin gestorben war.
Minna wird Lehrling von Raben Krull, einem lauten, bösen Lehrmeister und schließt sich den anderen beiden Lehrlingen Gulliver und Jascha an. Spannende neue Entdeckungen warten auf Minna, wie z.B. ein Asterisk, eine Art Kompass zur Büchersuche. Hyperbel, Klimax, Kupferstäbe usw. sind weitere Hilfsmittel zum Bücher suchen. Aufpassen muss man vor Staubflusen, die alles zerstören können. Zudem begegnet Minna weiteren zauberhaften Geschöpfen und Pflanzen und erlebt verzaubernde Abenteuer während ihrer Büchersuche, und auf der Suche nach der Wahrheit über ihre Mutter.
In lebendig leichter Sprache wird eine fabelhafte Welt erschaffen, die ein bisschen der von Alice im Wunderland ähnelt, nur eben bestückt mit Unmengen von Büchern!

Am Ende jedes Kapitels findet man Auszüge aus Labyrinth-Aufzeichnungen und anderen Schriften, die Erklärungen abgeben und das Märchen vertiefen.
Ein paar wenige Zeichnungen vertiefen die Vorstellungskraft. Rundum ein fabelhaftes Buch für junge und auch ältere Bücherliebhaber und Phantasie-Reisende.

Bewertung vom 23.03.2025
Halbinsel
Bilkau, Kristine

Halbinsel


ausgezeichnet

Mutter, Tochter ... Leben

Die Protagonistin Annett läßt ihre Leser/innen durch tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt sehr nah an sich heran.
Annett, Bibliothekarin und fürsorgliche Mutter ihrer erwachsenen Tochter Linn, die neuerdings wieder bei ihr lebt, nachdem sie bei einem Vortrag auf einer Konferenz ohnmächtig geworden ist und dabei auch noch ein teures Kunstwerk beschädigt hat. Man wird in Annetts besorgte Gedanken integriert, die mich berühren und die immer sehr nachvollziehbar sind.
Die Erinnerungen an ihr Leben mit der kleinen Tochter Linn lassen Annett durch unerfüllte Lebensträume stapfen, denn sie stellte ihre eigenen Bedürfnisse lange der Tochter gegenüber und wegen ihr zurück, während Linn in ihrem alten Zuhause in Erinnerungen an ihre Schul- und Studienzeit versinkt, Umwelt- und Klimaschutz ist generationsübergreifendes Thema, während sie motivationslos wird, wobei auch der Corona-Lockdown Spuren hinterlassen hat und ihr bisheriges Leben in Frage stellt.
Tochter wie Mutter müssen sich mit ihren jeweiligen Leben einzeln, miteinander und gegenseitig auseinandersetzen und neuen Mut schöpfen. Erschwert wurde der frühere Werdegang durch den tragischen Tod von Annetts Mann und Linns Vater Johan, dessen Gedanken im Stillen Annett hin und wieder begleiten.

Der Roman besticht mit einer emotionalen Stille, ungeklärten Verletzungen, stummen Emotionen und einer sehr sympathischen Protagonistin.
Das Cover in zart gehauchter Farbe drückt verhaltene Stille aus, der die Protagonistin den Rücken zukehrt.
In Kristine Bilkau habe ich eine neue Lieblingsautorin gefunden!

Bewertung vom 23.03.2025
Ein Raum zum Schreiben
Valla, Kristin

Ein Raum zum Schreiben


ausgezeichnet

Das wäre auch mein Raum – ein inspirierendes Seelenbuch für Literaturliebhaber

Ein Raum zum Schreiben fasziniert von den ersten Seiten an und entwickelt einen zarten Sog in eine verwunschene Idylle hinein. Vorab sei gesagt, dass dieses Kunstwerk von Buch allen Bücher- und Literaturliebhabern das Herz höher schlagen lässt und denen, die gern schreiben möchten, Genugtuung und Wohlbefinden vermittelt, als hätte man zwischen den Seiten schon seinen Raum zum Schreiben gefunden!
Gehaltvolle Worte werden vollmundig aus inneren Tiefen der Seele geschöpft und verleiten dazu, Sätze zitieren zu wollen. Ich liebe auch „die Stille, wo die einsamen unnützen Gedanken wohnen können“.

Kristin Valla erzählt von ihrem Bedürfnis und dem Werdegang zum eigenen Raum zum Schreiben, der sie nach Südfrankreich führt, in alte, zerfallene Häuser, deren Steine leise Geschichten ausatmen und deren Räume eine Seele besitzen. Kristin kauft ein solches Haus, um wieder zu ihrer Kreativität zum Schreiben zurückzufinden. Zwischendurch schwelgt sie in Gedanken an andere Schriftstellerinnen, die auf ähnlicher Suche ihre Räume gefunden haben, und die bisweilen skurrile Formen annahmen, die aber genauso umtrieben waren wie Kristin. Die Bedürfnisse, die man zum Schreiben möchte, sind so klein, so wenig und oft doch so schwer umsetzbar: „ein eigenes Zimmer, ein Tisch, eine Schreibmaschine“.
Jeder der Bücher liebt, kann das nachvollziehen und jeder der schreibt oder schreiben möchte sowieso. Genau so einen Raum will ich auch!!
In diesem Raum wohnen dann die Figuren – nur die Figuren – die einen im besten Fall direkt begrüßen, wenn man den Raum betritt, in dem viele Gedanken Zeit und Platz zum Schweben haben.

Das Cover erfrischt mit seinen frühlingshaften Farben den Geist und öffnet den Blick durch Tür oder Fenster, der ebenfalls inspirierend die Sinne verwöhnt.
Mit diesem zauberhaften Roman erhalten wir gleichsam Einblicke in die Entstehung und deren Orte bekannter Schriftsteller und deren Bücher, wie z.B. „Die Farbe Lila“.
Dabei erschüttert nach wie vor der Blick auf den Spielraum, den Frauen hatten und teilweise noch haben. Nicht wenige Schriftstellerinnen haben in früheren Jahrhunderten ihren Namen in einen Männlichen umwandeln müssen, um überhaupt ein Buch veröffentlichen zu dürfen. Hierbei wurde aus Aurore Dupin Dudevant also George Sand...

In diesem Sinne erwähne ich gern ein Zitat von Seite 21
– „nicht als Freiheit in Form von Möglichkeiten, Rechten oder Entscheidungen, sondern als Freiheit VON – der Freiheit von Störungen, von äußeren Einwirkungen, von anderen Verpflichtungen“ . . . „ich würde mich gern aus der Welt zurückziehen. In meinen Roman eintreten … mich ausschließlich den Worten hingeben, das alltägliche Leben ganz und gar vergessen, mich um nichts sorgen als das Schicksal meiner Figuren.“

Bewertung vom 14.03.2025
Don't Let Her Stay
Sanders, Nicola

Don't Let Her Stay


sehr gut

Langsam läuft der Thriller an, bis er dir den Atem raubt!

Wow – echt Psycho!
Es geht langsam los, wie in einem typisch amerikanischen Thriller, mit heiler Familienwelt und alles ist schön. Man denkt, dass man schon viele solcher Thriller gelesen hat und liest sich ein in das Leben von Joanne, die mit ihrem vier Monate altem Baby und ihrem reichen Ehemann in ein großes Haus gezogen ist, die ein bißchen ihrem Job nachtrauert und bald wieder tageweise im Homeoffice arbeiten möchte, auch gegen die Einsamkeit, weil ihr Mann Richard viel und lange arbeitet.
Bis sich überraschend Besuch von Richard’s Tochter aus erster Ehe ankündigt. Chloe zeigt sich als widerspenstiger Teenager und Stiefmutter-Hasserin Joanne gegenüber resepektlos, während sie ihrem Daddy gegenüber die süße Tochter mimt.
Die Dinge laufen langsam aus dem Ruder, Anschuldigungen und Lügen fliegen hin und her, nehmen dann aber Fahrt auf, und der Thriller schüttelt einen plötzlich durch wie eine Achterbahnfahrt. Bald weiß man nicht mehr, wo oben und unten ist, nach Zweidrittel des Buchs denkt man, das könnte schon der Showdown sein, doch es kommt noch mehr und noch anders als man denkt. Dabei wirkt nichts konstruiert, und bis zum Ende hin entwickelt sich ein spannender Sog mit unvorhersehbaren Momenten.
Meisterhaft!

Bewertung vom 12.03.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


ausgezeichnet

Genial durchdacht, verrückt inszeniert und absolut Escher

Ein psychedelisches Cover, dass auch mit Brille nicht gerade rückt, lässt das Buch sicher allein dadurch oft in die Hand nehmen. Und wenn man erstmal die ersten Zeilen liest, dann will man es auch nicht mehr weglegen…
Ineinander verschachtelte Geschichten empfangen uns in einem irgendwie abgedrehten Buch mit ungewöhnlichem Fortgang.
Franz Escher wartet zuhause auf den Elektriker und liest ein Buch über Elio.
Elio wartet im Gefängnis auf seine Entlassung und liest ein Buch über Escher, der auf den Elektriker wartet ... usw. - im Wechsel.
Natürlich muß dieser Haupt-Protagonist Escher heißen - geht ja nicht anders!
Escher und Elio lesen beide gegenseitig von sich und ihre Texte fließen übergangslos ineinander und tatsächlich kommt dann auch der Elektriker, dem ein tragisches Ereignis bevorsteht, während Elio in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird, seinen Namen ändern muß und Deutsch lernen muß. Ob und wie hängen die beiden Geschichten zusammen?

Was für ein skurriles Buch, das wie ein Bildnis M.C. Eschers daherkommt und besonders wortgewandt humorvolle Szenen und absurde Lachmomente entstehen lässt.
Auf nur etwas über 200 Seiten schafft Wolf Haas ein kurzweiliges, fast perfekt inszeniertes und unterhaltsames Buch, das ich gern empfehle.

Bewertung vom 12.03.2025
Hase und ich
Dalton, Chloe

Hase und ich


ausgezeichnet

Ein Hasenleben der besonderen Art

Dieses Buch hilft einem dabei, den Streß vom Alltag fallen zu lassen und sich von der ruhigen Ausstrahlung eines Hasens und den liebevollen und schönen Momenten, die man mit ihm erleben kann, in eine andere Welt entführen zu lassen.

Ein auf den ersten Blick zartes, aber gleichermaßen starkes Geschöpf tastet sich mit bedingungslosem Vertrauen an seine menschliche Retterin Chloe heran, die sorgenvoll versucht, alles richtig zu machen, um das kleine Hasenbaby großzuziehen, ihm ein möglichst artgerechtes Leben zu bieten, und das ohne Chloe nicht überlebt hätte. Man gewinnt den Eindruck, der Hase geht auf seine Retterin zu und spendet ihr den Mut, den es braucht, die Verantwortung für Hase’s Leben zu übernehmen ohne zu wissen, wie es geht.
Denn zuhilfe gezogene Ratgeber erzählen nur von Kaninchen, während Hasen eine andere Spezies sind und nicht alles übertragbar ist.
Irgendwie profitieren aber HASE & ICH beide von der Situation und wachsen gemeinsam an ihrer Begegnung.

Ich selbst bin Frauchen von Kaninchen und kann mich in so viele Situationen, die im Buch beschrieben sind, hineinversetzen, schaue zu meinen Kaninchen rüber, die in der Wohnung spielen, kuscheln, leben, schlummern, und spüre die Faszination, die von HASE & ICH’s gemeinsamem Leben ausgeht.
Die sensiblen und possierlichen Tier strahlen sanfte Ruhe aus und bereiten mit ihrem reizenden Wesen glückliche, zufriedene Momente.
Chloe Dalton hat ein Buch geschrieben, in das man eintauchen kann, in dem man mitlebt und genauso gut wie Hase jeden Winkel des Hauses und des Gartens von Chloe (und Hase) kennt.

Die Autorin verbindet die Kapitel mit feinstrichigen Zeichnungen von Hasen in niedlichen Positionen, die ihre Mimik und Charakterzüge gut darstellen.
Geschichtliche Aspekte sowie Prosa anderer Schriftsteller, die über Hasen schrieben, werden ebenfalls erwähnt.
Insgesamt ist auch eine gute Aufklärung über Hasen zu finden, die in die Alltagsmomente von HASE & ICH eingebunden werden, auch wenn man stellenweise leider weniger schöne Ereignisse eines Hasenlebens erfährt, wie die Jagd durch andere Tiere oder Menschen, die oft tödlich enden, sowie auch die Eingriffe in die Natur, die die natürlichen Lebensräume von Hasenleben stark einschränken.
Alles in allem eine wunderschöne Geschichte bei der man beim Aufschlagen des Buchs schon Hase um die Ecke hoppelnd kommen sieht.

Bewertung vom 27.02.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Für deine nächste Zugreise
Ohne so etwas erwartet zu haben, findet sich der eher ruhige Schriftsteller Eduard Brünhofer, der im Zug von Wien nach München unterwegs ist, in einer Art Psychotherapie-Sitzung wieder, weil sein Schräg-Gegenüber zufällig Psychotherapeutin ist.
Der Zug fährt langsam an, so auch das Gespräch zu der fremden Zugabteil-Begleiterin, das sie begonnen hat und am Laufen hält.
Mit zunächst wenigen Worten tastet man sich voran und erstarrt zwischendurch in lebhaften Gedanken.
Der Zug kommt ins Rollen und noch in Österreich ist man schon beim Du angekommen.
Der Zug fährt in eine Richtung, die beide nicht abgesehen haben und es entwickelt sich, nicht nur "im ungarisch gewürzt riechenden Speisewagen"...

Daniel Glattauer beschreibt mit stilvollem Humor eine Psychostudie der Liebe und des sich (selbst) Kennenlernens. Sein Text hat permanent ein Zwinkern im Auge und einen Schelm auf den Lippen.
Der kurzweilige, sehr dialogreiche "Unterhaltungs"-Roman liest sich in einem Zug weg.

Bewertung vom 24.02.2025
Hier draußen
Behm, Martina

Hier draußen


ausgezeichnet

Dorf und Leben

Lara und Ingo ziehen mit ihren Kindern von Hamburg aufs Dorf – so ganz tiefes Dorf - und kaufen dort einen alten Hof, den sie sich zurechtmachen wollen. Ingo pendelt täglich nach Hamburg in sein Start-Up-Unternehmen, Lara tritt in ihrem Job als Grafikerin richtig kurz, kümmert sich um Haus und Kinder und alles soll idyllisch sein, so wie man es sich verträumt und vorher vorstellt, bis zu dem Abend, an dem Ingo auf dem Nachhauseweg eine weiße Hirschkuh anfährt. Der Dorf-Jäger erschießt mit Ingo gemeinsam diese Hirschkuh, weil er angst vor einem Aberglaube hat. Danach ist nichts mehr wie vorher.
Die Beziehung zwischen Ingo und Lara verändert sich, sie entfernen sich immer weiter voneinander, können nicht mehr miteinander reden. Ihre Vorstellung von Idylle auf dem Dorf bestätigt sich nicht und ihr Leben ist anders als gedacht.
Es geschehen Entwicklungen, die die Protagonisten genauso wenig vorhersehen wie die Leser/innen. Dafür sind die Protagonisten sehr zugänglich, obgleich ein ganzes Dorf mit vielschichtigen und unterschiedlichen Charakteren diese soziale Gemeinschaft prägt und trotzdem jede Person im Roman gut ausgearbeitet kein bißchen überfordernd wirkt. In diesem Roman wird man als Leser/in sofort aufgenommen in die Dorfgemeinschaft. Mittendrin in Fehrdorf ertappt man sich selbst in den Häusern der verschiedenen Personen.
Man geht bei Jutta und Armin in der alten Schmiede ein und aus, kann sich das Single-Leben von Uwe, dem Jäger, im Haus seiner Mutter sehr gut vorstellen, bangt um die Vorhaben Sönkes’, nimmt teil an Veranstaltungen im Dörpshus und fühlt sich im Gegensatz zu Lara und Ingo auf dem Reuserhof recht wohl. Man geht in Gedanken schon mit durch die Straßen, in den Wald, mit dem Hund spazieren oder rüber zum Nachbarn.

Mit HIER DRAUSSEN ist ein wunderbares Abbild eines überschaubaren Dorfs in norddeutscher Kulisse gelungen, das letztendlich im Kleinen genauso von Sorgen und Problemen heimgesucht wird wie ein Großstadtleben, in dem vielleicht nur andere Prioritäten gelten.
Mit knackigem Biss und gekonntem leisen Witz erzählt die Autorin eine Dorfgeschichte, dessen Stimmung vom Landleben hervorragend gezeichnet ist.
Ein kurzweiliger Roman, den man immer wieder gern aufschlägt, um sich den Problemen der Dorfbewohner zu widmen, die dann auch herrlich von eigenen Problemen ablenken können.

Bewertung vom 16.02.2025
Überwintern. Wenn das Leben innehält
May, Katherine

Überwintern. Wenn das Leben innehält


sehr gut

Besondere Wintermomente

Ein sehr ansprechendes Cover einer Winterlandschaft, die eine ruhige, zentrierte Klarheit ausstrahlt, und den Wunsch aufkeimen läßt, sich wie in einem Zuhause mit Wolldecke in Wohlfühlkleidung einzukuscheln, dazu ein heißes Getränk und ein Buch mit gedimmtem Leselicht, vielleicht sogar dieses Buch, am Fenster sitzend, diese Landschaft zu betrachten, sorgenfrei. Fast genauso ist dieses Buch – nur nicht sorgenfrei!

Die Autorin Katherine May beschreibt den Winter mit allen Facetten, nicht nur den Winter der Welt sondern auch den Winter in uns, den Lebenswinter, der nicht das Ende des Lebens andeutet sondern die Tiefen in uns, krisengeschüttelt, depressionsverstimmt, dunkelschwer.
Und um diese Gefühle und Phasen zu bewältigen, muß man „überwintern“.

Die Autorin schafft eine außergewöhnliche Atmosphäre, in der man liest und gleichzeitig seine eigenen „Winter“ wahrnimmt, und der allein von den wohlig warmen Darstellungen schon zu heilen beginnen. Durch ähnlich erlebte Konflikte wird eine Art Gleichgewicht hergestellt, das von ganz allein innehalten läßt, beruhigend wirkt, ein inneres Heimkommen zuläßt, nachdem man es ausgeleuchtet hat.
Aber auch Naturbeschreibungen oder tierische Erlebnisse bereichern mit erstaunlichen und verblüffenden Betrachtungen. Mir persönlich hat der tiefe Einblick in die Bienenwelt sehr gut gefallen und auch der Vergleich zwischen Heuschrecken und Ameisen.
Es beginnt im Spätsommer, im September… als die Tage langsam dunkler werden und das Leben in reifem Licht beleuchtet wird. Es spannt Monat um Monat tiefe Rückblicke in schwierige Lebensphasen und heilsame Entwicklungen, bis hin zum Tauwetter im März...
Ein schöner Winter- und Lebensbegleiter!

Bewertung vom 10.02.2025
Middletide - Was die Gezeiten verbergen
Crouch, Sarah

Middletide - Was die Gezeiten verbergen


sehr gut

Naturschöner Liebes-Krimi

In Middletide entführt uns ein gut konstruierter Liebes-Krimi mit Drama-Anteil in bildhaft schöne Naturbeschreibungen, was man auf den ersten Blick so nicht erwarten würde.
Das Cover ist mir tatsächlich zu rot und obliegt mir nicht mehr der Romantik eines Sonnenuntergangs am See sondern geht schon in schreiend rote Warnfarbe über. Aber das ist ja nur äußerlich. Innen werden wir nach wenigen Seiten in den Bann der Geschichte gezogen, die zunächst mit ihren Zeitsprüngen zwischen den 70er-Jahren, den 80er und 90er-Jahren noch eine kurze Eingewöhnungsphase benötigt, bis man den Protagonisten erlegen ist und den Roman nicht mehr beiseite legen kann.
Uns begleitet ein ruhig fließender Text, der die Landschaft lebendig ausschmückt und uns in das Dorfleben einbettet, das von einem Mord aufgewühlt wird.

Nakita und Elijah versprechen sich an einem See im Wald, sich in 4 Jahren genau dort wiederzutreffen, denn Elija will in die große Stadt und Schriftsteller werden. Nakita bricht es das Herz, und sie ist es, die nach 4 Jahren am verabredeten Ort auftaucht – leider ohne Elijah, der erst Jahre später zurückkehrt, nach dem Tod seines Vaters und sich in dessen kleinem Haus als Selbstversorger versucht, da die Schriftstellerei gescheitert ist.
Der Sheriff des Ortes steht in den 90er-Jahren kurz vor der Pension, als plötzlich ein Mord, der wie ein Selbstmord wirkt, Fragen aufwirft. Die Tote ist Erin, die Dorf-Ärztin, die schon ein schweres Los im Lebenslauf verbuchen mußte. Auch Elijah’s Buch, das er in der Großstadt Jahre zuvor geschrieben hatte, wirft plötzlich Fragen auf.
Die Beziehungsgeflechte der Figuren sind intensiv und gut beleuchtet, jeder kämpft mit eigenen, teils schweren Schicksalen, die über Umwege zusammenzulaufen scheinen.

Klug durchdacht und überraschend wendungsreich schreibt die Autorin Sarah Crouch einen Roman, der bis zu einem nicht absehbaren Ende auf leise Art spannend bleibt.
Stellenweise hat mich die Umsetzung der Geschichte an Joel Dicker’s Roman „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ erinnert. Deshalb bekommt dieses Buch von mir eine Empfehlung an die Leser, die krimiartige Rätsel in Romanform mögen.