Ein Mann im Garten am Ölberg, allein, am Vorabend seiner Verhaftung. Die Worte der Mutter klingen ihm noch im Ohr: »Jemand, der liebt wie du, wird leiden müssen.« Ein schlechter Jude, ein schlechter Zimmermann. Er wartet auf die Soldaten, die ihn holen und abführen werden. Er wartet auf seine Hinrichtung. Ein anderer Mann, ein anderer Ort. Vielleicht fünfzehn Verhaftungen, nur drei Kreuzigungen, es hätten geruhsame Feiertage für ihn werden können. Doch dann verschwindet die Leiche eines der gekreuzigten Männer. Ganz Jerusalem ist erschüttert, die Menschen sprechen von Wunder und Auferstehung, manche sagen, der Gekreuzigte sei ihnen erschienen, oder man habe zumindest davon gehört. Pilatus hat wenig Verständnis für die jüdischen Verrücktheiten, die Lage muß beruhigt, der Tote muß gefunden werden, die Ermittlungen beginnen. Judas, der Verräter, Pilatus, der Henker, und Jesus, das Opferlamm? - Vergessen wir diese Rollenfestschreibungen. Schmitt befreit die Protagonisten der Passionsgeschichte von jeder Überhöhung oder Vorverurteilung, haucht ihnen mit frischer Feder neues Leben ein und erzählt uns eine sehr vertraute Geschichte so spannend und neu, als hörten wir sie zum ersten Mal.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Mit großem Pathos und einem persönlichen Bekehrungs-Bekenntnis würde der Autor sein Roman-Evangelium inszenieren, berichtet Rezensent Martin Krumbholz, der sich einen sarkastischen Unterton nicht ersparen kann. Im Prolog würde Schmitt aus keiner geringeren Perspektive als der von Jesus Christus auf dessen Leben inklusive einer Erste-Liebe-Geschichte zurückblicken. Im zweiten und umfangreichsten Teil des Romans, so der Rezensent, habe der Autor Briefe des Pontius Pilatus an seinen Bruder Titus eingefügt und lasse als kleine "Pikanterie" den Philosophen Kraterios auftreten, der öffentlich zu onanieren pflegte, um seinen Kopf von Säften freizuhalten. Aus Sicht des Rezensenten entpuppt sich Pilatus allerdings als mittelmäßiger Denker und des Kraterios unfeine Manieren würden von Schmitt in wohldosierter Form dargeboten. Insgesamt halte sich der Autor an das überlieferte Evangelium, ohne "originelle" neue Aspekte hinzuzufügen. Schmitt "poliert es nur ein wenig auf", befindet der Rezensent, "geschmack- und maßvoll", mit einer "hübschen Dosis Spiritualität". Auch die Sprache von Schmitts fünftem Evangelium sei gewissermaßen Bibel light, "gefällig, eingängig, blumig und problemlos rezipierbar". Und somit, folgert Krumbholz, würde Schmitts Evangelium alle Kriterien erfüllen um ein erfolgreicher Roman zu werden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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