Ohne Heimat sein heißt leiden. Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Die Beziehung zu ihrer Mutter war immer unterkühlt und Lena findet keine Erklärung dafür. Doch als ihre Mutter stirbt, steht ihre Welt plötzlich Kopf, denn nichts ist, wie es vorher wahr. Lena ist nicht die leibliche Tochter,
sondern wurde adoiert. Auf der Suche nach Antorten auf ihre brennenden Fragen steht ihr Familienanwalt…mehrOhne Heimat sein heißt leiden. Fjodor Michailowitsch Dostojewski
Die Beziehung zu ihrer Mutter war immer unterkühlt und Lena findet keine Erklärung dafür. Doch als ihre Mutter stirbt, steht ihre Welt plötzlich Kopf, denn nichts ist, wie es vorher wahr. Lena ist nicht die leibliche Tochter, sondern wurde adoiert. Auf der Suche nach Antorten auf ihre brennenden Fragen steht ihr Familienanwalt Ansgar Schuhmann zur Seite. Während sie Dokumente sichten, tauchen sie tief in Ereignisse ein, die die böse Fratze des Zweiten Weltkrieges zum Vorschein bringen. Lena macht sich auf, um ihre Mutter zu finden....
Der neue Roman von Annette Oppenlander verspricht auf den ersten Blick jede Menge Emotionen, ergreifende Szenen und schonungslose Bilder, die sich ins Herz brennen. Doch leider gelingt es der Autorin diesmal nicht, an die Qualitäten ihrer bisherigen Bücher anzuknüpfen.
Ein Hauptgrund dafür liegt in der weiblichen Protagonistin Lena, die unnahbar und oft wenig glaubwürdig durch ihre eigene Lebensgeschichte wandelt. Emotional wirkt sie seltsam unentschlossen und für eine Mittfünfzigerin erscheint sie erstaunlich naiv und weltfremd. Ihre Suche nach der leiblichen Mutter wird von Rückblenden begleitet, die die Grausamkeit des Krieges eindringlich und nachhaltig schildern – diese Passagen gehören klar zu den Stärken des Romans, denn sie nehmen die Leser:innen mit auf die beschwerliche Flucht.
Während der Erzählstrang der Vergangenheit fesselt und eindrucksvoll die Gespenster der Geschichte heraufbeschwört, bleibt die Betrachtung der Gegenwart deutlich hinter den Erwartungen zurück. Erinnerungen und aktuelles Geschehen greifen nicht harmonisch ineinander; manches wirkt konstruiert und bemüht, als müsse die Handlung mit aller Kraft einen Zusammenhang zwischen den vielen Ideen herstellen, die Oppenlander in dieser Erzählung unterbringen möchte.
Besonders wenig überzeugend ist die Begegnung zwischen Mutter und Tochter nach über fünf Jahrzehnten. Ohne jegliche Vorbehalte fallen sie sich in die Arme, kennen keine Berührungsängste und wirken sofort vertraut – ein Szenario, das bei einer solchen Vorgeschichte kaum realistisch erscheint. Der Trauma-Hintergrund, der eigentlich erklären könnte, warum beide nach Nähe suchen, wird nahezu ausgeblendet. Statt vorsichtiger Annäherung entsteht überstürzte Innigkeit.
Zudem packt Oppenlander zu viele Nebenhandlungen in den Roman, wodurch die eigentliche Thematik – Flucht und Vertreibung – deutlich zu kurz kommt. Am Ende bleibt eine Gefühlsdusche mit vorhersehbarem Ausgang, die den vielen Heimatvertriebenen und ihren real erlittenen Traumata nicht gerecht wird.
Die Grundidee ist zweifellos vielversprechend, doch die Umsetzung kann das Potenzial nicht ausschöpfen. Insgesamt enttäuschend – 2,5 Sterne.