Der alte Max hat alle Zeit. Draußen vor dem Fenster legt sich der Schnee wie eine Decke über das Dorf. Da dringt das Läuten des Totenglöckchens durch die Stille. Es schlägt für den Schorsch, der viel mehr war als nur ein Freund, ein Leben lang. So macht sich Max am Abend auf zur Totenwacht, wo die Alten zusammenkommen, um des Verstorbenen zu gedenken und sich zu erinnern. Eine ganze Nacht erzählen sie von den Freuden bei der Ernte, von Abenden in der Wirtsstube, vom kleinen Glück. Und vom Schorsch. Aber auch von der Enge im Dorf und dem eisigen Schweigen. Erst im Morgengrauen kehrt der Max heim. Im Licht des neuen Tages ist ihm klar: Nichts davon wird wiederkommen. Nur die Erinnerungen an dieses Leben bleiben, so lange er da ist ...
Thomas Loibl intensiviert mit seiner Lesung die atmosphärische Erzählung und gibt den originellen Figuren eine Stimme.
Thomas Loibl intensiviert mit seiner Lesung die atmosphärische Erzählung und gibt den originellen Figuren eine Stimme.
Tommie Goerz, eigentlich erfolgreicher Franken-Krimi-Autor, wagt mit 71 Jahren seinen zweiten Roman, freut sich Rezensent Andreas Platthaus. Die Geschichte ist ein tiefgründiges Porträt des dörflichen Lebens im fiktiven Austhal im Fichtelgebirge. Im Mittelpunkt steht Max Malter, der während der Totenwache seines Freundes Georg Wenzel auf das frühere Dorfleben zurückblickt: einst von Vertrautheit geprägt, heute von Neubürgern und Veränderungen geprägt, resümiert der Kritiker. Goerz erzählt unprätentiös und intensiv von Tradition, Verlust und Wandel, ohne nostalgisch oder reaktionär zu wirken. Wie große Schneebücher der Weltliteratur (zum Beispiel der "Zauberberg") nutzt er das Motiv des Schneetreibens als Symbol für die Vergänglichkeit menschlichen Strebens. Goerz gelingt ein literarisches Glanzstück, das Provinz und Menschlichkeit in den Fokus rückt, schließt der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Marie Schmidt hält den neuen Roman von Tommie Goerz für ziemlichen Kitsch. Vielleicht hätte Goerz lieber bei seinen erfolgreichen Franken-Krimis bleiben sollen, meint sie. Die Story um einen alten Mann im Fichtelgebirge, der wegsterbenden Freunden und Sitten nachtrauert, der über alte Apfelsorten, Pilze und Kräuter salbadert und urige Heimeligkeit ausstrahlt, nimmt Schmidt genau bis zu dem Punkt mit, wo die Romantik erdrückend wird. Schmidt ist dieser "genießerische Abgesang" auf eine vermeintlich heile alte Welt nicht so ganz geheuer, mit so viel "Wohligkeit" wird einem hier die Weltabkehr dargebracht, dass alle schmerzhafte "Erkenntnis", die generiert werden könnte, unterdrückt wird.
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»'Im Schnee' ist ein großartiges, fast schüchternes Stück Prosa, ein melancholischer Augenblick, in dem Leben nur aufblitzt, bevor es sich wieder zurückzieht in die Winkel und verstaubten Ecken einer unbedeutenden Gegenwart.« Bernd Noack (CH) Neue Zürcher Zeitung 20250128